Kunst neu erfahren – Grenzkunst über Grenzkunst

Beim Verein „Grenzkunst e. V.“ dreht sich alles um das Thema Kunst. Er veranstaltet Events im Raum Rothenburg ob der Tauber wie das Eulenflug-Festival und den Sundowner. Im Interview verraten uns die Mitgründer Stephan und Johannes Keitel, wie alles angefangen hat und wie für sie eine Festivalorganisation zu stemmen ist.

Eulenflug-Festival

FrankenSein: Wofür steht der Name Grenzkunst?

Stephan: Zunächst konnte noch niemand richtig etwas mit Grenzkunst anfangen, da es nur eine einzige Elektromusikveranstaltung gab, den Sundowner. Dieser findet mittlerweile einmal jährlich im Wildbad in Rothenburg statt. Nun hat sich der Begriff durch weitere Veranstaltungen wie RaumZeit und das Eulenflug-Festival erweitert.

Johannes: Wir versuchen die Grenzen in Sachen Kontext und Künste verschwimmen zu lassen. Es sollen nicht nur Musik, Theater oder darstellende Kunst sein, die wir zeigen, sondern Mischformen von alledem. Im Rahmen unseres Eulenflug-Festivals arbeiten wir beispielsweise seit Jahren mit Sprayern und Künstlern aus der Street-Art-Szene zusammen, die ihre Kunst die ganze Veranstaltung über live und Open Air vor Publikum in Szene setzen.

FrankenSein: Wie seid ihr dazu gekommen, die Grenzkunst e.V. zu gründen?

Johannes: 2012 haben wir mit guten Freunden im Wildbad Rothenburg ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht. Jeder FSJler suchte sich dort ein Projekt, das er auf die Beine stellen will. Unseres war der Sundowner, den wir dort zum ersten Mal veranstalten wollten. Dafür die Erlaubnis zu bekommen war schon krass. Es war die erste Veranstaltung in so einer Richtung, denn normalerweise finden dort oft Hochzeiten oder Tagungen statt. Plötzlich Techno im Wildbad, einem altehrwürdigen Gebäude in Rothenburg, war schon ein echter Vertrauensbeweis. Das Ergebnis war eine super Veranstaltung und das Haus hat es auch gut überstanden. Nach dem FSJ wollten wir das unbedingt wiederholen. Da das Wildbad als juristischer Träger ausfiel, haben wir kurzerhand den Verein Grenzkunst 2013 mit sieben Freunden und Geschwistern gegründet. Mittlerweile sind wir 31 Mitglieder.

FrankenSein: Und wie konntet ihr die Leute motivieren bei euch mitzumachen? Es ist ja immer noch eine ehrenamtliche Arbeit.

Johannes: Ja, es ist zu 100 Prozent freiwillig, was wir machen, und im Grunde zahlt jeder von uns drauf. Es ist eine Art Hobby.

Stephan: Es ist mehr so, dass niemand Geld damit machen will. Falls irgendjemand Kosten hat, die erstattet werden sollen, übernehmen wir das. Aber die meisten Leute verzichten darauf und sind dabei, weil es ihnen Spaß macht.

Johannes: Wir gehen jetzt auch an niemanden heran und fragen ihn, ob er bei uns mitmacht oder ob er etwas Neues starten will. Stattdessen sind wir ein Verein, in dem jeder sich verwirklichen kann. Das kann zum Beispiel etwas ganz Großes sein, wie etwa unsere letzte Veranstaltung „RaumZeit“, ein Filmmusik-Orchesterkonzert in der St. Jakobs-Kirche in Rothenburg. Unser zweiter Vorstand Oli ist erst später beigetreten und in gewisser Weise war RaumZeit sein Steckenpferd. Wir wollen eine Plattform bieten, wo Leute ihre kreativen Ideen verwirklichen können.

FrankenSein: Viele von euch sind Studierende und Azubis. Wie schafft ihr es zeitlich, so viele Veranstaltungen im Jahr zu bewältigen?

Stephan: Aktuell sind etwa 80 Prozent unserer Mitglieder nicht hier im Rothenburger Land, aber alle haben hier ihre Wurzeln. Deshalb ist es zeitlich oft ein bisschen schwierig. Manche nehmen sich eine komplette Woche Urlaub vor und nach der Veranstaltung. Es sind aber nicht nur diese sieben oder acht Veranstaltungstage im Jahr, sondern man muss kontinuierlich etwas leisten. Zum Glück lässt sich aber vieles dank Internet auch ortsunabhängig organisieren.

Johannes: Meistens sehen und treffen wir uns auch nur zu Grenzkunst- Veranstaltungen. Um eine Veranstaltung wie den Eulenflug zu machen, brauchen wir für die Arbeit vor Ort circa acht bis zehn Wochen. Dazu kommen noch Konzeption, Booking und Proben. Für einige von uns ist es also schon ein Halbtagsjob. Gegen das Jahr gerechnet würde man auf die 20 bis 30 Wochenstunden kommen.

FrankenSein: Hättet ihr einen Tipp für andere Veranstalter?

Johannes: Absolut unabdingbar ist es, eine Leidenschaft dafür zu haben. Damit man nicht eine Veranstaltung macht nach dem Motto: Nur das Notwendigste und Hauptsache, es findet irgendetwas statt. Die Besucher sollen vielmehr in eine kleine Welt eintreten, sich wohlfühlen und Kunst neu erfahren.

FrankenSein: Gibt es Unterstützung von Stadt und Land?

Stephan: Inzwischen konnten wir uns in der Region einen Namen machen und haben so mehr Unterstützer als Gegner, die uns Steine in den Weg legen wollen.

Johannes: Obwohl wir ein kultureller Verein sind, bekommen wir aber in der aktuellen deutschen Kulturförderung wenig Unterstützung. Viel Geld fließt in alte Kulturinstanzen wie etwa die Festspiele oder Ähnliches. Für Jugendkultur, Projektarbeit oder etwas Innovatives sind leider oft keine Gelder mehr da. Entweder lässt man es dann sein oder kommt mit der Situation klar. Deswegen finanzieren wir uns komplett selbst.

FrankenSein: Wo seht ihr euch in fünf Jahren? Was möchtet ihr unbedingt noch machen?

Johannes: Es gibt so viele Ideen, die wir gerne noch umsetzen möchten, aber leider sind wir momentan zeitlich am Limit.

Stephan: Auch Geschmäcker ändern sich ja nun mal schnell, deswegen sind wir da relativ offen, was in Zukunft passieren wird. Vielleicht machen wir ja dann keine Elektromusik-Veranstaltungen mehr. Wir machen es einfach, solange es uns Spaß macht.

Johannes: Und solange, wie es einfach noch geht. Unser Wunsch für die Zukunft ist es aber, weiter Leute zu erreichen, die den Grenzkunst-Gedanken sichern und weitertragen.

Philipp Horänder

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