Einer wie keiner: Poetry Slammer Michael Jakob im Portrait

Der Ansbacher Poetry Slam feiert dieses Jahr sein Jubiläum: Seit 15 Jahren steppt einmal im Monat der Bär auf der Bühne der Ansbacher „Kammer“. Von Tag eins an ist Moderator Michael Jakob mit von der Partie – mit Hut und verrücktem Anzug. Wir haben das Urgestein genauer unter die Lupe genommen.

Der Autor, Moderator und Slam-Poet hat uns einen kleinen Einblick in sein Leben abseits der Bühne gewährt. Wir waren überrascht, als Michael Jakob uns in einem schlichten Shirt und Jeans die Haustür öffnete. Keine Spur von bunten Anzügen oder beigem Hut – ganz privat konnten wir dem Mann ein paar Fragen stellen, der 2003 in Ansbach seine erste Poetry Slam-Reihe ins Leben gerufen hat.

„Sprache an sich ist immer in Veränderung. Auch beim Poetry Slam hat man das über die zwei Jahrzehnte, in denen Poetry Slam auch in Deutschland existiert, deutlich bemerkt. Am Anfang, als sich noch jeder auf die Bühne getraut hat, wurde viel Autobiographisches vorgetragen – heutzutage ist Poetry Slam ausgereifter. Das sind sprachlich runde Stücke, die einstudiert sind, wo sich die Interpreten im Vorfeld viele Gedanken gemacht haben und solange herumgeschrieben haben, bis es für sie perfekt war.“

„Die Jugendsprache fließt immer mehr mit ein, aber dann schon eher auf eine parodierende Weise. Man verwendet sie als Gag. Es ist jetzt nicht so, dass jeder Text auf Jugendsprache aufbaut, sondern dass einige Slammer das immer wieder mal ausprobieren. Auch in den Ankündigungen der Veranstaltungen baut man das teilweise mit ein: »I bims, 1 Erinnerung für den Slam heute Abend. Wird nice vong Stimmung her.«. Allerdings erschöpft sich das auch schnell wieder. Da passiert ständig Veränderung und in einem halben Jahr ist es nicht mehr cool.“

„Ob ein Text gut ankommt, weiß man vorher natürlich nicht. Normalerweise weiß man schon, welche Texte gut funktionieren. Wenn es sich um jüngeres Publikum handelt, kann man auch mal gewagtere Sachen vortragen.
Es gibt aber auch Shows, die auf Theater/Kabarett-Bühnen stattfinden und da sollte man nicht die linksrevolutionärsten Texte auspacken, um das Publikum nicht komplett zu verstören.
Ein guter Text scheitert aber auch selten. Man hat eine Art Sicherheit, denn wenn der Text sonst überall funktioniert, wieso sollte er dann nicht funktionieren?“

„Der Konkurrenzgedanke ist tatsächlich gar nicht so groß. Bei normalen, lokalen Slams treten die meisten mit dem Wunsch an: »ich möchte ins Finale kommen und einen zweiten Text vortragen«. Am Ende zu gewinnen ist dann schön, man freut sich natürlich, aber man ist jetzt nicht total verbissen darauf. Man merkt ja auch, wenn die andere Person an dem Abend einfach besser war und akzeptiert das. Bei Meisterschaften ist das nochmal anders – wenn es wirklich um Titel oder Preise geht, ist man etwas angespannter.“

„Ich habe einige Slammer, die ich auch persönlich mag – zum einen den Menschen dahinter, zum anderen haben viele Slammer textlich etwas drauf. Ich versuche nach außen hin immer ein bisschen neutral zu bleiben, aber zwei würde ich mir hier namentlich nennen trauen. Volker Strübing ist einer, der mich seit Jahren wirklich immer wieder begeistert, und auch Philipp Scharrenberg, der so viel Detailliebe in seine Texte steckt und man die Arbeit dahinter merkt, das respektiere und schätze ich sehr.“

„Spontane Lieblingswitze… Das ist wie, wenn man einen Chirurgen fragt, ob er mal eine spontane OP machen kann. (lacht) Das ist schwierig und situationsabhängig. Auf Kommando Witze erzählen ist nicht so meins, aber wenn man am Abend zusammen sitzt und dann fängt einer an, dann fallen mir auch ständig wieder welche ein, ja.“

„Wenn ich auf die Bühne gehe, geht mir idealerweise nichts mehr durch den Kopf, sondern dann bin ich einfach präsent. Das ist dann alles im Vorfeld schon passiert und man hofft, dass alles passt. Sobald man die ersten Schritte auf die Bühne macht, zählt nur noch da sein und »Zack!« – Energie rüber bringen.“

„Ich bin privat ganz anders. Also der »Bühnen-Michl« hat nichts mit dem Michael Jakob zu Hause oder auch mit Freunden zu tun. Allein vom Outfit unterscheidet sich das ja schon ganz gewaltig. Ich bin eigentlich ein zurückhaltender, schüchterner Mensch – das glaubt man mir selten. Der Bühnen-Michl lebt davon, dass er einen bunten Anzug und Hut trägt, große Gesten und albernen Sprüche macht und sich für nichts zu schade ist. Während ich privat aber wirklich reflektierter, ruhiger und auch langsamer bin.“

„Die Moderationsrolle ist irgendwie auch Schauspiel, ja. Das ist eine Rolle, in die man in dem Moment reinschlüpft. Ich geh aber auch nicht aus dem Klo raus (hebt die Stimme, streckt die Hände in die Höhe) »Kinder wie hab ich gekackt?!« und erwarte, dass dann Applaus kommt… aber auf der Bühne provoziert man das schon.“

„Überhaupt nicht. Ich war immer ein kreativer Kopf, mit 13 Jahren hab ich die ersten Geschichten geschrieben und mit 17 ausgedruckte Einzelanfertigungen im Freundeskreis verschenkt. Ich habe auch gern Sketche/kurze Filme gemacht, aber etwas live vor Menschen vorzutragen, war immer eine Herausforderung. Mit einem Kumpel habe ich dann ein kleines, witziges Programm für Freunde zusammengestellt und da es gut geklappt hat, wollten wir es auch öffentlich vortragen.“

“Ganz früher wollte ich Milliardär werden – wie Dagobert Duck (lacht). Ich habe BWL studiert. Also Handel und Geschäfte aufbauen hat mich immer interessiert, das tut es noch heute und ich könnte es mir auch immer noch vorstellen. Gastronomie und Beherbergung finde ich spannend. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen ein Hotel zu leiten, wo man mit Menschen zu tun hat, man organisieren kann und es Marketing braucht. Ach, und ich hatte mal überlegt Architektur zu studieren. Häuser oder ein komplettes Stadtbild zu entwerfen gibt einem die Chance sich zu verwirklichen und seiner Kreativität Ausdruck zu verleihen. Allerdings haben mir alle davon abgeraten. »Ein Architekturstudium ist echt hart und langweilig und du baust letztendlich Häuser, wie sie die Kunden wollen.« Deshalb habe ich den Gedanken sehr schnell wieder verworfen.“

„Einfach machen! Das hört sich total bescheuert an, aber man gewöhnt sich dran. Nervosität geht nie ganz weg, aber man lernt mit der Angst umzugehen und das ist auch der Trainingseffekt: Je häufiger man auf der Bühne steht, desto geringer wird das Lampenfieber, denn es kann ja nichts passieren. Wenn man unter Freunden oder im Workshop ist, ist man immer natürlich und locker – man muss also versuchen, die Bühne, das Publikum zu seinem Freund zu machen. Das ist quasi wie in der Schule, wenn man ein Referat halten muss. Für mich war das immer der reine Horror. Ich konnte die ganze Nacht vorher nicht schlafen. Dann stand ich vorne und hab herumgestammelt, anstatt mich hinzustellen und zu sagen: »Hey, ich hab ein Referat dabei. Hört zu, das wird GEILl!« Das ist also reine Kopfsache, denn Nervosität ist da und gehört auch dazu.“

Da es bei einem Poetry Slam vor allem auf die Performance ankommt, zeigen wir Euch, dass ein Text auch ohne Mimik und Gestik überzeugen kann. Hier hört ihr ein kurzes Werk von Michael Jakob – ungewohnt, nur auf seine Stimme reduziert.

Michael Jakob lebt in Zirndorf bei Nürnberg, arbeitet neben seiner Rolle als Moderator und Veranstalter auch als Autor und hat schon zig Preise für seine Poetry Slams eingeheimst, beispielsweise den Jugendkulturpreis der Stadt Ansbach zu Beginn seiner Karriere. So viel lässt sich schon durch eine kurze Recherche herausfinden.

Einige spannende Fakten, die kaum jemand über Michl weiß, hat er uns hier verraten:

1.

Fakt

Seit Mitte der 80er Jahre sammelt Michl leidenschaftlich verrückte Gegenstände – von Bierdeckeln (umgspr. Bierfizzle) über PEZ-Figuren, einige Ukulelen bis hin zu überdimensionalen Playmobil Figuren. „Das Schöne daran ist, dass dieses Hobby nicht viel kostet, aber über die Jahre weiter wächst. Und an den einzelnen Objekten hängen Erinnerungen.“

2.

Fakt

Seit drei Jahren entspannt er am liebsten im Garten, indem er Pflanzen selbst anbaut, deren Samen einsammelt und daraus neue Gewächse züchtet.
„Rund 300-400 der Pflanzen meines Bekanntenkreises stammen von mir.“

3.

Fakt

Wenn Michl irgendwo übernachtet, sind keine herumstehenden Pflanzen sicher. Er nimmt heimlich einen Ableger mit und schickt dann dem Besitzer dann ein Foto von einer herangewachsenen Pflanze.
„Wenn ich wo übernachtet hab, ist es an sich nur ein Blatt, welches ich wegzwicke und mitnehme. Aber bei allen Pflanzen im Haus weiß ich noch genau woher sie stammen und von wem ich den Ableger mitgenommen hab.“

4.

Fakt

Als Michl vor einigen Jahren gar nicht mehr vom Mountainbike runterzukriegen war und der Sport frisch olympisch geworden ist, träumte er davon für Deutschland bei Olympia mit zu fahren. Allerdings machte ein Unfall diesem Traum einen Strich durch die Rechnung.
„Leistungssport war durch meine Verletzung leider gestorben und hat mich auch in ein Loch geworfen, bis ich dann mit den ganzen kulturellen Aktivitäten, wie zum Beispiel Comedy-Theater, ein neues Ventil hatte.”

5.

Fakt

Die Liebe zum Sport hat aber auch heute noch einen Platz in Michls Leben. Statt auf dem Fahrrad zu sitzen, läuft er heute und setzt sich jedes Jahr einen Halbmarathon als persönliche Challenge. „Ich habe mich im Januar für einen Lauf im September angemeldet, um den Druck zu haben etwas zu tun. Denn wenn ich mich nicht anmelden würde, würde ich den Halbmarathon auch nicht laufen.”

Interaktive Karte:

Der Bühnen-Michl wäre nicht der Bühnen-Michl, wie wir ihn heute kennen, hätte er nicht seine berühmt-berüchtigten Anzüge an. Egal ob Tiermusterung, Comic-Muster oder knallig-bunt, im Kleiderschrank des fränkischen Moderators findet man so ziemlich alles. Die schrillen Anzüge kommen immer mit passender Hose und Krawatte. Für uns hat Michl sich ein paar Exemplare übergeworfen – alle waren leider nicht drin, das hätten wir zeitlich wohl nicht geschafft.

Michael Jakob im Anzug

Wie werde ich denn jetzt selbst zu einem Slammer? Mitmachen kann eigentlich jeder, denn auch bei der Themenwahl ist man vollkommen frei. Alles ist erlaubt, solange du dich an folgende Regeln hältst:

Die goldenen Regeln des Slams

Nach der Zeit, die wir mit Slam-Poet Michael Jakob verbracht haben, hat es auch uns in den Fingern gekribbelt, eigene Texte zu schreiben und diese auf einer Bühne vorzutragen. Aber wie kommt man dahin und wie geht man am besten vor? Fragen, die wohl der Profi höchstpersönlich am besten beantworten kann. Deswegen haben wir an einem von Michls Workshops teilgenommen und unsere Erfahrungen und Tipps für euch zusammengefasst.

Schaut doch beim nächsten Poetry-Slam vorbei! Alle Infos und Updates findet ihr unter https://www.facebook.com/SlamAnsbach/.

Lisa Weixelbaum, Laura Meier

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