Ein Bild, wie wir es heute kennen
Ein riesiger Lebensmittelmarkt, der seit Ende 2015 zum Ansbacher Stadtbild gehört. Daneben – eine gigantische Baustelle. Hier entstehen die „HürnerHöfe“, ein Ort zum Arbeiten, Wohnen und Urlaub machen. Der Name – eine Erinnerung an eine längst vergangene Zeit.
eine Reportage von Melanie Buchinger und Nathalie Gellner
Eine Zeit, in der es hier noch ganz anders aussah
Bis April 2013 stand auf dem Areal an der Brauhausstraße die ehemals größte Ansbacher Brauerei – die Hürnerbräu. Überlieferungen zufolge gehörte das Gelände, auf dem die Brauerei stand, einem der ältesten Gutshöfe in Ansbach. In der Literatur wurde er als Rabenhof bezeichnet und zählte zu den drei „Ur-Höfen“ der Ansbacher Geschichte.
Wie die Hürnerbräu entstand
Im Jahre 1806 kaufte Georg Leonhard Hürner den Hof und gründete bereits im Jahre 1809 die Brauerei inklusive Branntweinbrennerei. Wie für die damalige Zeit üblich, war es ein kleines Unternehmen, das ausschließlich für den lokalen Bedarf produzierte. Erst als Georg Hürner im Jahre 1868 das kleine Brauereigeschäft von seinem Vater übernahm, wurde die Bierproduktion allmählich ausgeweitet und auf einen fabrikmäßigen Großbetrieb umgestellt. Der Sohn investierte in umfangreiche Neu- und Umbauten. In diesem Zuge wurde auch die Schnapsbrennerei eingestellt.
Ein Werdegang wie aus dem Bilderbuch
Auf der Nürnberger Gewerbeausstellung wurde die Hürnerbräu 1882 mit einer silbernen Medaille ausgezeichnet und erlangte daraufhin einen so hervorragenden Ruf, dass das Bier weit über die Grenzen Bayerns nach Wien, Österreich, Amerika, Paris und sogar in den Orient versandt wurde.
1908 übernahm Carl Hürner die Brauerei von seinem Vater, in der er bereits seit einigen Jahren mit der Direktion betraut war. In den folgenden Jahren expandierte das Unternehmen rasant. Nachdem einige Brauereien aus dem Umkreis hinzukamen, erreichte Hürnerbräu eine Produktionsmenge von über 62.000 Hektolitern pro Jahr, was einer Anzahl von 620.000 Kästen Bier entspricht. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt bei rund 100 Litern pro Jahr.
Auch nach der Umwandlung von einem Familienbetrieb in eine Aktiengesellschaft im Jahr 1922 galten weiterhin die alten Grundsätze des Geschäfts: „Erzeugung von gutem, bayerischen Bier unter vornehmer Geschäftsführung der Familie Hürner.“
Das Ende einer Ära
Im Jahr 1994 wurde der Brauereibetrieb in Ansbach komplett eingestellt und die Hürner Biere wurden fortan in Nürnberg gebraut. Allerdings weit weniger erfolgreich, da das Nürnberger Wasser eine starke Geschmacksveränderung mit sich brachte.
Enkel Carl-Dieter Spranger erinnert sich…
Betty und Carl Hürner, die Großeltern von Bundesminister a.D. Carl-Dieter Spranger, waren die letzten privaten Eigentümer der Hürnerbräu. Hier packte Bundesminister a.D. Carl-Dieter Spranger in seiner Studienzeit ordentlich mit an. Mit dem Abriss des Hürnerareals ging für Carl-Dieter Spranger auch ein Stück Kindheit verloren. Noch heute denkt er oft an die bewegende Zeit zurück.
Eine hoch anerkannte Persönlichkeit –
Kommerzienrätin Betty Hürner
Seit 1908 war die Brauerei im Besitz von Carl Hürner und seiner Frau Betty. Die beiden galten als hoch anerkannte Persönlichkeiten in Ansbach und wurden für ihr außerordentliches soziales Engagement als Kommerzienräte bezeichnet.
„Hürners Benzinwagen verbreitete Angst und Schrecken“
Der erste Wagen, der 1898 durch Ansbachs Straßen rasselte, gehörte Brauereidirektor Carl Hürner. Er lenkte einen luxuriösen Daimler-Benz Comfortable II S5, der zur damaligen Zeit 3.000 Mark kostete. Über Jahre hinweg war er deshalb der Schrecken konservativer Ansbacher Bürger.
Ein Blick in die Nachbarschaft
Unmittelbar neben dem Hürnerareal befand sich die Ansbacher Hofbräu. Die zwei Brauereien existierten zwar zur selben Zeit und in direkter Nachbarschaft, sahen sich jedoch nie als Konkurrenten an. Das lag vor allem daran, dass Hofbräu von Anfang an die kleinere Brauerei war.
Wie bei Hofbräu alles begann
Die Ansbacher Hofbräu war nicht nur Ansbachs letzte Brauerei, sie war auch die erste. 1666 wurde im sogenannten markgräflichen Küchengarten das erste Brauhaus errichtet. Der Markgraf höchstpersönlich war Bauherr. Seit 1670 dominierte das Hofbräuhaus die Nordseite der Residenzstraße und lieferte Bier bis an den Hof des englischen Königs.
Wie ging es weiter?
Nach einem Brand Mitte des 19. Jahrhunderts erinnerte nur noch eine Ruine an das ehemalige Brauhaus. Ein Wiederaufbau hauchte Ansbachs Hofbräu neues Leben ein. Ab dem Jahr 1935 war das Brauhaus zunächst in den Händen von Fechter und Reuter, bis Ende der 80er Jahre Karlheinz Reuter und seine Frau als Kommanditist (Teilhafter) und Komplementär (Vollhafter) das Unternehmen übernahmen.
Es hat sich ausgebraut
Seit 2002 wird im Ansbacher Hofbräu kein Bier mehr gebraut. Die alten Räume waren für eine moderne Produktion nicht ausgelegt. Die Inhaber konnten die Herstellung nicht mehr finanzieren.
Ein letzter Besuch im Ansbacher Hofbräu
Was wird aus dem Sudhaus?
Ein längst fälliger Abriss der Ansbacher Hofbräu war in der Vergangenheit lange Zeit umstritten. Grund dafür war das alte, denkmalgeschützte Sudhaus der Brauerei.
Die Lösung – einfach wie genial!
Sieben Jahre vergingen, bis 2009 der Ansbacher Stadtrat dem Edeka-Markt den lang ersehnten Zuschlag gab. Bis zur endgültigen Eröffnung mussten jedoch noch sechs weitere Jahre vergehen, da aufwändige Planungs- und Baumaßnahmen viel Zeit in Anspruch nahmen. Das Holz des Sudhauses war stark beschädigt. Rund 40 Prozent mussten erneuert werden. Der Lebensmittelmarkt integrierte das Sudhaus und die Fassade der ältesten Brauerei Ansbachs in das neue Gebäude.
Hoffnung für Hürnerbräu?
Die Hürnerbräu war, im Gegensatz zur Ansbacher Hofbräu, noch lange Zeit Teil des Stadtbildes. Die Gebäude waren gut erhalten und hätten, ganz anders als das Hofbräu, einen Abriss nicht nötig gehabt.
Ein emotionaler Abschied
Hermann Pörschmann, ehemaliger Verkaufsleiter: „Hürner sollte keinesfalls in Vergessenheit geraten.“
„Tradition und Regionalität haben Hürner schon immer ausgemacht“,
berichtet Hermann Pörschmann. Er selbst war 41 Jahre bei Hürnerbräu beschäftigt. Vom „Mädchen für alles“ hat er sich im Laufe der Jahre zum Verkaufsleiter hochgearbeitet.
„Die Brauerei war mein Leben.“
Das Unternehmen war nach seiner Aussage immer sehr familiär, was ein sehr gutes Betriebsklima mit sich brachte. „Wir hatten sogar eine eigene Fußballmannschaft.“ Jeden ersten Donnerstag im Monat wird sich noch heute zum Stammtisch getroffen.
Da braut sich wieder was zusammen
2017 – kurz vor seinem Tod überlässt der letzte Braumeister von Hürner der Tucher-Brauerei das Originalrezept der letzten Ansbacher Sude. So ermöglicht er eine Wiedereinführung der Marke, welche ab sofort in Lichtenau gebraut wird. Dort entspricht das Wasser dem Ansbacher Wasser und das Hürnerbier schmeckt wieder so, wie es einmal geschmeckt hat.
Neues Leben auf dem Hürnergelände
Da 1993 der Brauereibetrieb von Hürner eingestellt wurde, lag das Gelände jahrelang brach. Ende 2011 wurde es schließlich von Beil Bau erworben. Nachdem die alten Mauern 2013 abgerissen wurden, konnte mit dem Bauprojekt „HürnerHöfe“ begonnen werden. Dabei entstehen Wohnungen, Geschäftsräume und ein Tagungshotel. Noch immer sind die Bauarbeiten nicht vollständig abgeschlossen, aber ein Ende scheint in Sicht zu sein. Die neu erbauten Gebäude haben zwar nichts mehr mit einer Brauerei gemeinsam, aber der Name der Anlage soll an eine längst vergangene Zeit erinnern – eine Zeit, in der in Ansbach noch gebraut wurde.