Anders l(i)eben in Franken Teil 1 – Das ungleiche gleichgeschlechtliche Ehepaar

Zum Essen gehört ein Bier, alles außerhalb Bayerns ist Preußen und eine Familie besteht aus Vater, Mutter und mindestens einem Kind. Doch mit den Zeiten ändern sich auch die Ansichten. Inzwischen darf es für manche ein Alkoholfreies vom Fass sein. Preußen wird als Rest der Bundesrepublik anerkannt – auch wenn die Zugehörigkeit Frankens zum Freistaat von beiden Seiten weiterhin als nicht eindeutig geklärt angesehen wird. Und wie sieht es mit dem traditionellen Familienbild aus? Wie offen und vielfältig die Mittelfranken sind, möchten wir in der Reihe Anders l(i)eben in Franken ergründen. Im Mittelpunkt unseres ersten Beitrags steht dabei das gleichgeschlechtliche Ehepaar Andreas und Markus.

Sie wirken auf den ersten Blick wie Yin und Yang: Andreas: Jahrgang 1978, schwarze Haare, 1,75 m Körpergröße, als Berufskraftfahrer tätig und gebürtiger Oberfranke.
Und Markus: 27 Jahre alt, dunkelblond, 1,90 m groß, selbstständiger Florist und in Mittelfranken aufgewachsen. Auch in ihrer Persönlichkeit unterscheiden sich die beiden.
Wo Markus redselig ist und ein aufbrausendes Wesen hat, ist Andreas ruhig und diplomatisch. Wo Andreas zurückhaltend und eigenbrötlerisch ist, strotzt Markus vor Kontaktfreudigkeit und Selbstbewusstsein.

Andreas und Markus Messerer wirken auf den ersten Blick wie Yin und Yang

Trotz dieser Unterschiede sind Andreas Messerer und Markus Zorn seit 2009 ein Paar. Im Juni 2013 gaben sich die zwei Männer sogar das Jawort. In bester Ehe-Tradition nahm einer den Nachnamen des anderen an. In diesem Fall wurde Zorn gegen Messerer getauscht. Obwohl für beide das Thema „Ehe für alle“ als Zeichen der Gleichstellung zur traditionellen Ehe relativ egal ist, wollten sie den Bund fürs Leben eingehen. Nach dem Grund dafür gefragt, antwortet Markus: „Ich wollte ihn nicht mehr hergeben.“ So einfach kann‘s sein.

Coming out of the closet

Andreas Messerer

Wer nicht wie alle anderen ist, muss sich zwangsläufig auf Gegenwind einstellen. Den Messerers ging es dabei nicht anders, als sie sich ihren Verwandten offenbart haben. Im Alter von 28 Jahren outete sich Andreas bei seiner Familie. Seine Schwestern fanden es „cool“, einen schwulen Bruder zu haben. Die Mutter entgegnete ihm sogar scherzhaft mit: „Meinst du, du bist jetzt was Besseres?“ Nicht ganz so begeistert war die Familie von Markus. Als 16-Jähriger klärte er seine Familie über seine Homosexualität auf. Was folgte, waren Demütigungen durch Worte und Taten. „Wenn meine Mutter nicht mehr weiter wusste, dann holte sie meinen Vater“, erinnert sich Markus. Dies führte nicht selten zu heftigen Streitereien, die teils in Schlägereien ausarteten. Erst durch die Beziehung mit dem zwölf Jahre älteren Berufskraftfahrer hat sich die Stimmung im Hause Zorn beruhigt.

Wenn die Eltern schon so heftig reagieren, dann besteht vor der älteren Generation natürlich noch mehr Angst davor, abgelehnt zu werden. Beim gemeinsamen Coming-out bei Markus‘ Großeltern war die Oma sichtlich enttäuscht. Der selbstständige Florist erinnert sich, dass seine Großmutter erwiderte: „Na toll. Dann bekomme ich keine Urenkel.“ Doch der Frust hielt nicht lange an und eine Lösung hatte die Ende 70-Jährige auch gleich parat. So wurde die Aufgabe des Kinderkriegens an den Bruder von Markus übertragen. Ebenso entspannt reagierte Opa Zorn auf das Outing. Ihm konnten die zwei Turteltauben nichts vormachen. Da Andreas sehr oft zu Besuch war, kam die Nachricht, dass beide liiert sind, für den Großvater nicht überraschend: „Glaubt ihr, ich bin bleed?!“, besinnt sich Andreas an die Worte des Opas zurück.

Markus Messerer

Im Berufsleben hatten beide keinerlei Probleme nach ihrem Coming-out. Es gibt Berufe, da ist es für viele naheliegend, dass die männlichen Angestellten auch homosexuell sind. „Florist“, bestätigt Markus, „ist ein typischer Frauenberuf. Ich war nicht der erste Schwule im Betrieb.“ Und für die Kunden gelten Schwule als „Top-Floristen“, so Markus weiter.
Als homosexueller Berufskraftfahrer hat Andreas ebenfalls keine negativen Erfahrungen gemacht – im Gegenteil. In seiner Firma hat das weibliche Geschlecht das Sagen, was für Andreas ein klarer Vorteil ist. „Als schwuler Mann hast du bei Frauen bessere Chancen“, schwärmt der gelernte Elektroinstallateur mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Schwule und lesbische Jugendliche fragen sich oft, ob, wann und wie sie sich outen können. Andreas Messerer rät hierzu: „Outet euch. Dann lebt es sich entspannter.“ Dennoch braucht es Rückhalt. Für Markus sind es besonders nahestehende Freunde, denen man sich als erstes anvertrauen sollte. Am besten, so Andreas, man „lebt sein Leben und arbeitet nicht auf das Outing hin. Spätestens beim ersten Partner kommt es eh raus.“

Akzeptanz – eine Sache des Umfelds

Durch diese, meist positiven Erfahrungen, haben sich Andreas und Markus nie wirklich wegen ihres Schwulseins unterdrückt oder benachteiligt gefühlt. Aber nicht alle Homosexuellen haben so viel Glück. Für unser Pärchen kommt es auf das Umfeld an, in dem man lebt. „Wenn die Umwelt dich nicht akzeptiert, dann fühlst du dich unterdrückt“, so Andreas. Für Markus kommt es zusätzlich auf das Selbstbewusstsein eines Menschen an. Er war schon immer zufrieden mit sich, das hat ihm geholfen.

Auf die Frage, wie offen die Mittelfranken sind, haben Andreas und Markus eine gemischte Meinung. Obwohl sie glauben, dass Homosexuellen insgesamt toleranter begegnet wird, fühlt sich Andreas in dem rund 2000-Seelen-Dorf eher wenig willkommen. „Markus ist hier aufgewachsen und man kennt ihn. Das macht es für ihn leichter“, erzählt der gebürtige Bayreuther. „Geredet wird aber immer“, fügt Markus an. Seit 2016 wohnen die beiden in einem Ort, knapp 30 km südöstlich von Ansbach entfernt. Die Nachbarn haben keine Probleme mit Schwulen, aber, so schildert Andreas weiter, „manche akzeptieren wenig Fremde.“ Obwohl es zwar bei einigen gedauert hat, tauen sie auf „und grüßen mich inzwischen“, stellt er lächelnd fest.

Trotz der Ehe für Alle: Es gibt Luft nach oben

Am Beispiel von Andreas und Markus Messerer, einem schwulen Ehepaar im Herzen Mittelfrankens, zeigt sich, wie normal es sein kann, anders zu sein. Dass es dafür ein gutes Umfeld braucht, ist selbstverständlich – aber leider nicht für jeden gegeben. Mit der „Ehe für alle“ wurde ein großer Schritt begangen, der in Deutschland längst überfällig war. Viele Jahrzehnte mussten Schwule und Lesben für dieses und andere Rechte kämpfen. Was für Homosexuelle erreicht wurde, steht nun anderen bevor. Gemeint sind trans- und intersexuelle Menschen. Durch Unwissenheit diesem Thema gegenüber ist es schwer, Verständnis, Akzeptanz und Respekt aufzubauen und dadurch etwas zu verändern.

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Nicht immer sind geschlechtsspezifische Stereotype und biologische Gegebenheiten zutreffend – noch fühlen sie sich für manche Menschen richtig an. Wenn ein Michael weiß, dass er eigentlich Brüste haben sollte oder eine Jenny vergeblich auf ihren Bartwuchs wartet, dann hat das nicht unbedingt etwas mit pubertärer Verwirrtheit zu tun, sondern in vielen Fällen mit Transidentität.

Jan Degner

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