Wie sieht die Welt aus, wenn die Augen nicht mehr richtig arbeiten? Wie fühlt sie sich für jemanden an, der sie noch nie gesehen hat? Welche Gründe gibt es für eine Erblindung oder eine Sehbehinderung und wo ist eigentlich der Unterschied? Wir betrachten die Welt einmal durch die Augen blinder und sehbehinderter Menschen.
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Die rechtliche Situation in Deutschland
Aufbau des menschlichen Auges
Bei gesunden Menschen läuft das Sehen so ab: Licht fällt durch die Hornhaut ins Auge. Die Augenlinse bündelt das einfallende Licht, welches dann den Glaskörper durchquert und im Idealfall an einem bestimmten Punkt auf der Netzhaut landet. Dieser Punkt ist der Ort des schärfsten Sehens und wird Makula oder auch gelber Fleck genannt. Der Sehnerv leitet die Informationen, die am gelben Fleck ankommen, weiter ins Gehirn.
Armin Nembach: Blinder Gitarrist und Kellner im Dunkelrestaurant
Armin Nembach ist seit seiner Geburt blind – und führt trotzdem ein selbstbestimmtes Leben. Er hat seine Leidenschaft, das Gitarrespielen, zu seinem Beruf gemacht und unterrichtet sogar andere am Instrument. Seit kurzem arbeitet er außerdem in einem sogenannten Dunkelrestaurant im mittelfränkischen Bergen. Hier essen die Besucher ein Drei-Gänge-Menü in einem vollständig abgedunkelten Raum. Im Gegensatz zum Alltag in einer Welt, in der sehende Menschen ständig im Vorteil sind, sind Blinde in diesem Job klar überlegen.
0:04 Ein Beitrag von FrankenSein
0:06 Schwarzes Bild
0:08 Dieser Film ist ein Portrait über Armin Nembach. Er ist Gitarrist und Dunkelrestaurant-Kellner. Im Interview sitzt er auf seiner Couch. Neben ihm ist seine Gitarre platziert.
0:13 Armin Nembach spielt auf seiner Akustikgitarre. Er trägt einen blauen Pullover, hat einen Bart und graue Haare. Seine Körperhaltung ist aufrecht. Seine Augen haben eine Fehlstellung.
0:43 Armin spielt Gitarre.
1:19 Seine Finger gleiten über Papier mit Brailleschrift.
1:34 Er ertastet eine Karte der Stadt Nürnberg, die an seiner Wand hängt.
2:20 Armin spielt Gitarre.
2:47 Armin läuft mit Blindenstock einen Gehweg entlang.
3:02 Er ertastet mit dem Stock eine Lücke zwischen zwei parkenden Autos und überquert die Straße.
3:24 Er hält sich sein Smartphone vors Gesicht.
3:42 Eine Tür öffnet sich. Armin betritt das Dunkelrestaurant. Er betätigt die Klingel an seinem Blindenstock.
4:37 Eine Frau schenkt am Tresen ein Radler ein.
4:40 Bernd Loy, Inhaber Dunkelrestaurant. Er sitzt im abgedunkelten Gastraum und trägt ein schwarzes Poloshirt.
5:06 Ein Bier wird zu weiteren Getränken auf einen Wagen gestellt.
5:08 Kamera und Schnitt: Marie Wetzel, Kamera und Audiodeskription: Melina Möhnle, Sprecherin: Luisa Filip
5:20 Armin zieht den Getränkewagen in den dunklen Raum.
5:26 Er ist nicht mehr zu sehen.
Die Ursachen für Sehbehinderung oder Blindheit
Dr. med. Axel Jaksche ist Facharzt für Augenheilkunde aus Ansbach. Im Interview hat er uns die häufigsten Augenkrankheiten erklärt: Wann treten diese auf? Wie wirken sie sich auf das Sehen aus und wie können sie behandelt werden?
Altersabhängige Makula-Degeneration
Die altersabhängige Makula-Degeneration ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine schwere Sehbehinderung oder Erblindung. Sie tritt in der Regel ab dem 60. Lebensjahr auf und betrifft die Makula, die Stelle des schärfsten Sehens.
Dr. Jaksche: „Typischerweise fällt dem Patienten, der von der Makula-Degeneration betroffen ist, auf, dass das zentrale Sehen verschwindet, grau wird, dunkel wird. Die zentrale Gesichtsfeldfläche wird weniger.“
In Deutschland ist eine Makula-Degeneration für 50 Prozent der Erblindungen verantwortlich. Eine Behandlung ist nur in den wenigsten Fällen möglich.
Dr. Jaksche: „Es gibt im Groben zwei verschiedene Arten: Einmal die trockene Form, das ist die häufigere Form, und es gibt die feuchte Form, die ungefähr 15%, 10-15% der Fälle ausmacht. Eine Behandlung gibt es nur für, momentan zumindest, nur für die feuchte Makula-Degeneration. Da gibt es seit knapp zehn Jahren Medikamente, die man direkt an den Ort des Geschehens eingibt, nämlich ins Auge, an den Augenhintergrund, an die sogenannte Makula und da gibt man diese Medikamente ein, sodass sie vor Ort wirken können.“
Grauer Star (Katarakt)
Ein Katarakt, genannt Grauer Star, ist eine Trübung der Augenlinse. Der betroffene Patient sieht seine Umgebung nur noch zunehmend verschwommen und kontrastarm.
Dr. Jaksche: „Es kommt zu einer Linsentrübung, die so ab 50, 55 langsam einsetzt und alle Jahre wird es ein bisschen mehr und irgendwann, wenn die Patienten meistens über 70 sind, ist diese Linsentrübung derart fortgeschritten, dass man einfach das austauschen muss. Also man ändert nichts strukturell an der Funktion des Auges, sondern man macht wie eine Art Fensterwechsel, oder wie beim Fotoapparat, man tauscht das Objektiv aus. So kann man sich das vorstellen.“
Der Graue Star ist von allen Augenkrankheiten die einzige, die nicht nur behandelt, sondern sogar geheilt werden kann.
Dr. Jaksche: „Beim Grauen Star kann ich durch eine relativ gut durchzuführende Operation die Erkrankung wirklich ursächlich angehen und heilen und wenn das restliche Auge auch noch gesund ist, sieht der Patient so, wie er vorher auch gesehen hat oder sogar noch besser manchmal.“
Grüner Star (Glaukom)
Ein Glaukom, auch Grüner Star genannt, ist eine langsam voranschreitende Schädigung, meistens beider Sehnerven. Sie tritt typischerweise bei Personen ab 40 Jahren auf und kommt in 70 Prozent der Fälle von einem zu hohen Augendruck.
Dr. Jaksche: „Das tückische an der Erkrankung ist, dass der Patient erst einmal gar nichts merkt. Der Patient nimmt ganz lange nichts wahr. Man kann vielleicht so pauschal sagen, ab einem Schaden von 60 Prozent und höher merkt der Patient: Da ist irgendwas nicht in Ordnung, dann ist es aber schon zu spät. Das Problem ist, dass durch diese Sehnervenschädigung es zwar zu einem Gesichtsfeldverlust kommen könnte, den man aber durch das Partnerauge nicht wahrnimmt, weil das durchs Partnerauge überdeckt wird. Das Hirn ist so schlau, diesen Defekt auszugleichen und da muss schon viel Schaden vorliegen, dass der Patient was merkt.“
Durch ein fortgeschrittenes Glaukom entstehen blinde Flecken im Gesichtsfeld. Dadurch können bestimmte Sehbereiche nur noch eingeschränkt wahrgenommen werden. Die blinden Stellen können im Alltag zum Problem werden, zum Beispiel beim Orientieren im Straßenverkehr.
Das Ziel der Glaukomtherapie ist, den Augendruck zu senken, sonst kann der Patient im schlimmsten Fall erblinden. Dazu gibt es verschiedene Methoden.
Dr. Jaksche: „Der erste Ansatz wäre immer bei allen Patienten, dass man das medikamentös macht und dafür gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Wirkstoffen, es gibt teilweise Wirkstoffkombinationen. Und eine operative Herangehensweise wäre nur dann indiziert, wenn es nicht ausreicht, wenn man sich eine bessere Drucksenkung wünschen würde. Es gibt verschiedenste Lasermethoden, die auf einen verbesserten Abfluss des Augenwassers setzen, es gibt minimalinvasive Stents, die man mittlerweile einsetzen kann, und es gibt natürlich die großen chirurgischen Verfahren, wo künstliche Abflusswege geschaffen werden. Also man hat da doch ein gutes Portfolio an Möglichkeiten, das sowohl klassisch konservativ wie auch operativ zu behandeln, dass einfach der Augendruck sinkt.“
Retinitis Pigmentosa
Rund 30.000 Menschen in Deutschland leiden an der seltenen Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa. Sie wird durch Vererbung weitergereicht und führt dazu, dass Netzhautzellen absterben.
Dr. Jaksche: „Die Erkrankung ist gekennzeichnet vor allem dadurch, dass die äußeren Randbereiche der Netzhaut, also des Gesichtsfeldes, eingeschränkt sind und zunehmend einschränken, sodass man oftmals nur noch ein Röhrengesichtsfeld hat, als ob man sozusagen durch ein gefaltetes Papier oder ein gerolltes Papier gucken würde.“
Im späteren Stadium führt die Krankheit fast immer zur kompletten Erblindung. Aktuell gibt es noch keine befriedigende Behandlung der Krankheit.
Dr. Jaksche: „Man ist da im Hinblick auf Gentherapie zumindest in der Forschung, in der Entwicklung. Es gibt noch nichts, was diese Krankheit aufhält, was sozusagen massentauglich wäre. Es gibt Versuche, über implantierbare Chips das Ganze wieder in ein Bild zu formen, wenn die Sehschärfe schon sehr weit abgesunken ist.“
Etwa bei der Hälfte der Retinitis Pigmentosa-Patienten entwickelt sich im Erwachsenenalter zusätzlich ein Katarakt, also ein Grauer Star.
Diabetische Retinopathie
Diabetische Retinopathie ist eine mit Diabetes einhergehende Gefäßerkrankung der Augen.
Dr. Jaksche: „Bei Diabetes ist das Auge nur ein Teil des Körpers, der betroffen ist, denn Diabetes ist ja eine Erkrankung der kleinsten Adern und Gefäße des ganzen Körpers. Und genauso, wie das Veränderungen an den Nerven, an den Beinen oder auch der Nieren machen kann, kann es eben auch Veränderungen am Auge verursachen.“
Im Gegensatz zu Organen wie der Niere können Veränderungen im Auge von einem Augenarzt gut beobachtet und beurteilt werden.
Diabetische Retinopathie ist durch Laser- oder Injektionstherapie behandelbar. Die Therapien können den schon entstandenen Schaden aber nicht rückgängig machen.
Dr. Jaksche: „Es kommt zu einer diffusen, allgemeinen Sehverschlechterung. Das ist ja mannigfaltig. Wenn vor allem der Randbereich betroffen ist und auch schon Laserbehandlungen stattgefunden haben, dann kann es auch zu Sehverschlechterungen im Randbereich des Gesichtes kommen. Wenn die Makula betroffen ist, kann es eher wieder zu zentralen Gesichtsfelddefekten kommen, also mit der Fokussierung des Gegenübers kann es dann wieder schwierig sein. Es ist abhängig davon, welche Strukturen am Auge betroffen sind.“
Die diabetische Retinopathie äußert sich bei den Betroffenen häufig auch durch unregelmäßige dunkle Flecken im Gesichtsfeld.
Bilderstrecke: Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Personen
Für Menschen mit einer Blindheit oder Sehbehinderung gibt es eine Vielzahl an Hilfsmitteln, die ihnen helfen, im Alltag zurechtzukommen.
Wie können Einrichtungen und Gemeinden Blinde und Sehbehinderte unterstützen?
Blindenleitsysteme helfen blinden und sehbehinderten Menschen dabei, sich zurechtzufinden. Damit sich Menschen, die einen Blindenstock nutzen, gut in einer Stadt zurechtfinden, werden immer mehr Outdoor-Leitsysteme installiert, sogenannte taktile Bodenleitsysteme. Diese bestehen aus Leitstreifen und Aufmerksamkeitsfeldern. Leitstreifen weisen den Weg, Aufmerksamkeitsfelder zeigen besondere Stellen an, wie zum Beispiel eine Ampel, eine Bushaltestelle oder den Beginn einer Treppe.
Spezielle Blindenampeln kommunizieren mit der blinden Person durch Vibrieren oder einen lauten Ton und machen so ein gefahrloses Überqueren der Straße möglich.
Um sich in fremden Städten zurechtzufinden, bietet der Blinden- und Sehbehindertenbund in vielen Städten haptisch erfahrbare Stadtpläne. Auch im Nürnberger Hauptbahnhof finden sich zwei dieser ertastbaren Straßenkarten.
Um blinde Menschen auch an Architektur und Sehenswürdigkeiten teilhaben zu lassen, werden immer häufiger sogenannte Tastmodelle aufgestellt. Diese sind ein möglichst exakter Miniaturnachbau des jeweiligen Gebäudes, welcher mit den Fingern befühlt werden kann. So können Form und Proportionen nachempfunden werden. In Ansbach befindet sich ein solches Modell beispielsweise vor der katholischen Kirche St. Ludwig.
Orientierung auch im Inneren
Nicht nur die Orientierung im Freien kann Blinden erleichtert werden. Taktile Bodensysteme können genauso auch im Gebäudeinneren verwendet werden. Fahrstühle, Handläufe und Türschilder wie beispielsweise in Behörden oder an öffentlichen Toiletten sollten außerdem immer mit Brailleschrift gekennzeichnet werden. Zusätzlich dazu können viele neuere Fahrstühle sogar über Sprache gesteuert werden.
Neben taktilen Systemen nutzen moderne Indoor-Leitsysteme sogenannte Beacons. Diese senden Bluetooth-Signale aus, welche mit einer Smartphone-App interagieren. Befindet sich der Nutzer dieser App in der Nähe eines Beacons, meldet dieses seine Position und Informationen über die nähere Umgebung. So weiß das Smartphone, wo im Gebäude es sich befindet und welchen Weg der Nutzer gehen muss, um sein Ziel zu erreichen – ähnlich wie ein Navigationsgerät.
Das Internet muss barrierefrei sein
Welche große Rolle die Barrierefreiheit im Internet spielt, ist vielen Menschen vermutlich gar nicht bewusst. Blinde Menschen nutzen häufig Bildschirmlesegeräte, die ihnen Textinformation in Sprache ausgeben. Problematisch für diese Lesegeräte wird es, wenn Bilder nicht beschriftet sind oder Tabellen als Grafik und nicht als Text eingefügt wurden. Gerade bei amtlichen Formulare wie beispielsweise Anträgen ist es sehr wichtig, dass Städte und Gemeinden auf eine barrierefreie Umsetzung Wert legen.
Bei Problemen im Straßenverkehr oder beim Ausfüllen von Formularen ist es für Sehbehinderte und Blinde sehr wichtig, auf offene Ohren für ihre Bedürfnisse und Anregungen zu stoßen. Städte können Menschen mit einer Behinderung entgegenkommen und einen Behindertenbeauftragten einsetzen, der sich um ihre Anliegen kümmert. Auch die Stadt profitiert von der Zusammenarbeit mit Behinderten, da diese von ihren Erfahrungen berichten können und die Stadt so herausfindet, welche Probleme vorliegen und wie sie diese effektiv beseitigen können.
Hilfsangebote für Blinde und Sehbehinderte
Von Sehbehinderung oder Blindheit betroffen oder bedroht zu sein, ist nicht einfach. Wenn ihr oder eure Angehörigen euch in dieser Situation befindet, gibt es aber auch in Mittelfranken einige Anlaufstellen, an die ihr euch wenden könnt:
Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB)
Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund ist eine Selbsthilfeorganisation, die von Betroffenen gegründet wurde. Er vertritt die Interessen blinder und sehbehinderter Menschen in der Öffentlichkeit mit dem Ziel, Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das Beratungs- und Begegnungszentrum der Bezirksgruppe Mittelfranken befindet sich in Nürnberg.
Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
Die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung berät unentgeltlich in allen Fragen, die mit dem Thema Behinderung zu tun haben. In Mittelfranken befinden sich Standorte mit Beratungsangeboten zu Blindheit und Sehbehinderung neben Nürnberg, Fürth und Erlangen auch in Ansbach, Herzogenaurach, Eckental, Schwabach, Roth, Wassertrüdingen und Treuchtlingen.
Kontakt- und Informationsstelle Selbsthilfegruppen KISS Mittelfranken e.V.
KISS Mittelfranken ist eine Anlaufstelle für sämtliche Selbsthilfegruppen in Mittelfranken. Über die Webseite können Betroffene nach Problematik und Ort suchen und so andere Betroffene in ihrer Stadt kennenlernen und sich austauschen. Neben klassischen Selbsthilfegruppen wird dort auch über Informationsveranstaltungen, Stammtische oder gemeinsame Freizeitaktivitäten informiert.