Zu gut für die Tonne: Lebensmittelretter im Einsatz

Etwa die Hälfte des Essens in Deutschland landet im Abfall. Schuld daran tragen nicht nur die Endverbraucher — das Dilemma um die Lebensmittelverschwendung beginnt schon viel früher. Bei unserem Themenabend „Zu gut für die Tonne“ räumten wir mit Mythen auf, benannten Fakten, Gäste hielten spannende Vorträge und gaben Tipps. Als Verpflegung in den Ansbacher Kammerspielen dienten leckere Snacks der Verteilerstation — alle aus geretteten Lebensmitteln.

Zu dick, zu dünn, zu faltig, die Haut nicht ebenmäßig genug. Was nach den harten Ausschlusskriterien einer Modelagentur klingt, ist trauriger Alltag in vielen deutschen Supermärkten. Denn: Auch Lebensmittel erfahren eine Art „Bodyshaming“ — also eine Ablehnung aufgrund von vermeintlichen optischen Makeln — sowohl von Seiten der Marktbetreiber, als auch von Seiten vieler Verbraucher. Aber auch Bauern und größere Landwirtschaftsbetriebe unterliegen strengen EU-Richtlinien, die den Handel mit beispielsweise krummem Gemüse mit weiterverkaufenden Märkten erschweren. Ein großer Teil der Lebensmittel kommt also noch nicht einmal in den Küchen der deutschen Haushalte an. Nein, er landet schon vorher in der Tonne.

Viele Gäste — eine Botschaft

Nachdem unser Upcycling-Event im November bereits ein voller Erfolg war, stand fest: Eine weitere Veranstaltung in Kooperation mit „RESPECT“ und wichtiger Botschaft sollte folgen. Mit von der Partie waren diesmal

  • Günes Seyfarth (Foodsharing München),
  • Christian Mittermeier (Taste not Waste, Villa Mittermeier, Rothenburg o. d.Tauber),
  • Karolin Graf und Melanie Buchinger (Multimedia und Kommunikation, Ansbach),
  • Simon Goisser (Foodscanner-Forschung, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf),
  • Andrea Greul und Sarah Sofie Robinson (Verteilerstation Ansbach) und
  • Heribert Hederer (Landwirtschaft, Uffenheim)

Und alle waren sich einig: Lebensmittel brauchen einen viel höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft — sie sind zu gut für die Tonne!

„Mindestens haltbar bis“ heißt nicht „Tödlich ab“!

Günes Seyfarth scherzte in ihrem Vortrag. Wenn man das Wegwerfverhalten der Deutschen einmal genauer betrachtet, dürfte einem das Lachen jedoch schnell vergehen. „Manche Milchprodukte besitzen ein Mindesthaltbarkeitsdatum, weil zum Beispiel zwei Komponenten irgendwann optisch nicht mehr klar voneinander getrennt sind. Oft geht es nur um’s Äußere,“ erklärte Seyfarth, die gleichzeitig Gründerin und Vorstand von Foodsharing München ist. Noch immer würden Menschen das Mindesthaltbarkeitsdatum mit einem Verbrauchsdatum verwechseln und Produkte deshalb ablehnen. Das weiß auch Christian Mittermeier, der mit seiner Initiative „Taste not Waste“ Lebensmittelrettung und Gourmet-Küche vereint.

Was können wir tun?

Zwei verschiedene Möglichkeiten, sich aktiv für die Rettung von Lebensmitteln zu engagieren, zeigen Simon Goisser, Student der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, und Bauer Heribert Hederer. Simon Goisser stellte einen Foodscanner vor, der die Güte der Lebensmittel — insbesondere von Obst und Gemüse — im Inneren misst. So könnten sich VerbraucherInnen bald mehr trauen, Produkte trotz kleiner Schönheitsfehler zu verwenden. Weg von modernster Technologie, zurück zum traditionellen Handel in der Landwirtschaft möchte Heribert Hederer. Der leidenschaftliche Bauer und Gärtner hat einen Hofladen und verkauft dort auch Gemüse, das die Märkte ihm nicht abnehmen würden. Seine Kundinnen und Kunden wissen die Natürlichkeit der Produkte zu schätzen. Ein heikles Thema hingegen ist immer noch das Containern, also das Retten von Lebensmitteln aus den Tonnen von Supermärkten. Ein anonymes Interview brachte Licht ins Dunkel über die Herangehensweise eines Containerers.

Bunt gemischt

Neben den zahlreichen Vorträgen, Interviews und Filmen, die auf der Leinwand liefen, klärte unser Maskottchen Fränggie in einem Flyer über die richtige Lagerung von Nahrungsmitteln auf. Außerdem zeigte eine Plakatwand verschiedene Kampagnenideen des Studiengangs Multimedia und Kommunikation der Hochschule Ansbach. Noch bunter als in unserem Programm ging es am großen Stand der Ansbacher Verteilerstation zu, den unter anderem Andrea Greul betreute. Die Lebensmittelretterin und andere Mitglieder hatten zuvor große Geschütze aufgefahren: Kuchen, selbstgemachte Chips, Gemüsespieße und vieles mehr luden zum Zugreifen ein. Nach der Veranstaltung durften die Gäste ihre mitgebrachten Taschen füllen. Von Toastbrot über Kartoffelsalat bis hin zu Pflaumen und Mangold war fast alles dabei. Wir freuen uns, dass so viele gerettete Lebensmittel ein würdiges Ende auf dem Teller gefunden haben — statt einem traurigen Ende in einer Tonne.

Andreas Greul spricht vor dem Publikum.

Moritz Hilpert, Walid Sousa, Marie Wetzel, Franziska Roos, Kristina Pilny

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