Feminismus in Franken: Frauen im Porträt

Alice Schwarzer, Antibabypille und lange Achselhaare – das fällt vielen als erstes ein, wenn sie Feminismus hören. Dass es jedoch auch ganz anders geht und Feminismus heute vielmehr der Versuch ist, Gleichberechtigung herzustellen, zeigen uns Frauen aus der Region, die sich ganz unterschiedlich mit dem Thema auseinandersetzen.

Seit der #metoo-Bewegung ist das Thema Feminismus wieder so populär wie in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Frauenbewegung erstmals versuchte die Gesellschaft wachzurütteln. Seither ist viel Zeit vergangen und es hat sich bereits viel getan: Die Antibabypille als seither am häufigsten genutzte Verhütungsmethode sowie die Frauenquote als Mittel für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind nur zwei Beispiele für die Errungenschaften der damaligen Frauenbewegung.

Dennoch sind wir von der Gleichstellung der Geschlechter noch weit entfernt. Was dagegen getan werden kann, hat FrankenSein von Frauen aus Franken erfahren, die sich dem Feminismus verschrieben haben und ihre Erfahrung mit uns teilen.

Frauen im Fokus

Ute Möller arbeitet als Lokalredakteurin bei den Nürnberger Nachrichten und ist Mitgründerin des Podcasts Männlich/Weiblich/Divers der Tageszeitung. Die Idee für diesen Feminismus-Podcast entwickelte sich aus der Serie “Frauen-Leben” auf Nordbayern.de heraus, in der die Redakteurin starke Frauen in der Region porträtierte. Dazu zählten unter anderem Ladenbesitzerinnen, Küstlerinnen und Wissenschaftlerinnen. “Ich habe mit so vielen spannenden Frauen gesprochen und festgestellt, dass sie gar keine Plattform haben”, sagt die Journalistin über ihre Intention für das neue Format. “Über einen Podcast kann man sowohl die relevanten Themen transportieren, als auch Gäste einladen und die Frauen zu Wort kommen lassen.”

Lisa Susu Hahn war bislang die zweite Hälfte des Podcasts. Sie betreut bereits andere Podcasts bei Nordbayern.de und kennt sich daher mit der technischen Seite des Projekts bestens aus. Nachdem ihr aufgefallen war, dass auch der Frauenanteil bei den Podcasts der Nürnberger Nachrichten recht gering ist, wollte sie das ändern. “Dann habe ich versucht andere Frauen im Verlag zum Podcasten zu animieren und es war echt nicht so einfach. Frauen sind da wirklich schüchterner, sehen sich nicht so schnell als Experten für irgendetwas, stellen ihr Licht unter den Scheffel.”

Der neue Podcast “Männlich/Weiblich/Divers” soll Impulse geben

Damit beschreibt Hahn schon genau eines der Phänomene, die das Thema Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft heutzutage nach wie vor notwendig machen. Auch über ihren Arbeitsalltag hinaus beschäftigt sich Hahn schon seit sie unter anderem Soziologie und Kulturwissenschaft studierte intensiv mit Feminismus. Sie ergänzte Ute Möller damit sehr gut, die, wie sie selbst sagt, Newcomerin in diesem Bereich ist und noch viel lernen kann. Aufgrund ihres Sabbatjahrs wird Hahn von Franziska Wagenknecht vertreten, die als Produktmanagerin bei den Nürberger Nachrichten arbeitet.

Podcast für Frauen und Männer

Der Podcast soll das Bewusstsein für Feminismus-Themen schärfen – nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei Männern. Die Themen für den Podcast entstehen dabei oft ganz spontan und aus Alltagssituationen heraus. In den bisherigen Folgen unterhielten sich Möller und Hahn über das Frauenbild in Social Media, die Antibabypille oder darüber was Frauen in Pornos sehen wollen.

Besonders lebendig wird der Podcast nicht nur durch Möller und Hahn, sondern vor allem auch durch die Gäste, die die beiden in ihr Format einladen. Zu Besuch waren bereits Natalie Keller vom Verein Erfolgsfaktor Frau aus Nürnberg und Markus Ganserer vom Bündnis 90/Die Grünen, der sich kürzlich als Transgender-Person outete und von seinen Erfahrungen berichtete.

Auf der Themenliste für die Zukunft stehen Konzepte wie “New Work” zum Strukturwandel in der Arbeitswelt, die Frage warum Expertentum überwiegend männlich ist oder was der Slogan “The future is female” eigentlich bedeutet. Auch Themenvorschläge aus der Zuhörerschaft sind als Gesprächsthemen für kommende Folgen willkommen.

Körperoptimierungswahn und Bodypositivity

Der Körperoptimierungswahn bei Frauen in der heutigen Gesellschaft ist eines der Themen, mit denen sich die Künstlerin Carmen Westermeier auseinandersetzt. Sie kritisiert, dass es auf Plattformen wie Instagram viele Accounts gäbe, die ein verzerrtes Körperbild darstellen und Essstörungen glorifizieren. Dies sei vor allem für junge Frauen gefährlich. Sie ist froh, dass es inzwischen Gegenbewegungen in den sozialen Netzwerken gibt: Über Hashtags wie #bodypositivity oder #bodyequality verbreiten Frauen Bilder von sich, die die Realität abbilden sollen – unabhängig von Alter, Körpergewicht oder Hautfarbe.

“Je mehr man mit den Hashtags arbeitet und die Vernetzung dieser Accounts entdeckt, desto mehr verändert sich auch der eigene Feed”, empfiehlt Westermeier. “Wenn ich jetzt durch meinen Feed scrolle ist er sehr divers.” In ihrem Workshop “#bodypositivity und Instagram” gibt sie einen Überblick über das Bodypositivity-Phänomen im Netz und teilt persönliche Erfahrungen mit den Teilnehmern.

Feminismus in der Kunst

Die Inspirationen für ihre künstlerischen Projekte zieht Westermeier ähnlich wie Möller und Hahn aus dem Alltag. So beeinflusste sie beispielsweise die Medienberichterstattung und Darstellung von Polizeigewalt während des G20-Gipfels in Hamburg 2017 in ihrer künstlerischen Performance zu dieser Zeit. Bevor sie sich der ästhetischen Umsetzung widmet, recherchiert sie und liest häufig wissenschaftliche Texte zu potentiellen Themen, um sich ausführlich zu informieren. Erst danach macht sie sich Gedanken, wie sie ihre Ideen bildnerisch realisieren kann.

Viele Projekte entstehen auch in Zusammenarbeit mit Julia Hainz, die gemeinsam mit Westermeier an der Nürnberger Kunstakademie studiert. So entstand beispielsweise 2018 die performative Rauminstallation “Sheela Na Gig”. Die Ausstellung griff in Form eines nachgebildeten Beautysalons oder Fitnessstudios das “Streben nach übermäßiger Anpassung an äußere Zwänge” auf. Zu sehen waren skurrile Objekte aus der Schönheitsbranche, die den Blick kritisch auf die eigene Körperwahrnehmung lenken sollten.

Carmen Westermeier inszeniert sich in ihrer Kunst auch selbst

Projekte wie dieses polarisieren. Weil Westermeier der Austausch mit den Rezipienten ihrer Kunst wichtig ist, musste sie auch den Umgang mit Kritik lernen, die vor allem in den sozialen Netzwerken nicht immer sachlich vonstatten geht. “Ich glaube, dass die Menschen im persönlichen Kontakt oft scheuer sind”, sagt Westermeier. Auch an ihr prallen die Hate-Kommentare im Netz nicht immer einfach ab. Da sie häufig ihren eigenen Körper in ihrer Kunst darstellt macht sie sich persönlich angreifbar. “Ich musste einen Selbstschutz entwickeln. Jeder muss dann überlegen: Lösche ich solche Nachrichten einfach oder gehe ich eine Diskussion mit dem Menschen ein und frage nach, ob ihm bewusst ist, was er mit so einer Nachricht bei mir gerade auslöst.” Manchmal hat sie mit dieser Methode Erfolg und kann eine ernsthafte Diskussion mit ihrem Gegenüber starten.

Frauen und Rap-Musik

Zeitgenössischer Feminismus zeichnet sich für Westermeier vor allem durch Diversität aus: Neben den Alt-68ern und der radikalen Linken prägen heute auch Beyoncé oder Emma Watson das Bild der Bewegung. Für Westermeier hat sich auch die Agenda der Feministinnen weiterentwickelt. Nicht nur Themen wie gesellschaftliche Gleichstellung und der Gender Pay Gap sind für sie wichtige Aspekte.

Ganz persönlich widmet sich die Künstlerin beispielsweise der Sichtbarkeit von Frauen in der Musik- und Clubbing-Szene. Als DJane präsentierte sie vor einigen Jahren eine Performance zum Thema Sexismus im Deutschrap, in der sie ein 17-minütiges DJ-Set spielte. Dieses bestand einzig aus frauenverachtenden Parts verschiedener Rap-Tracks, um zu verdeutlichen wie sexistisch Interpreten teilweise sind.

Das Feminismus-Kollektiv "Trouble in Paradise" macht sich für Frauen in der Musikszene stark

Heute achtet sie bei ihrer Arbeit als DJane ganz bewusst darauf, politisch korrekte Künstler zu unterstützen. “Wenn man sich ansieht, wie viel korrekte Musik es auch im Bereich des Hip-Hop gibt, ist es überhaupt kein Problem auch ein fünfstündiges DJ-Set nur mit Musik mit Message zu spielen”, sagt Westermeier. Diesen Anspruch verfolgt auch das feministische DJ-Kollektiv “Trouble in Paradise”, das Westermeier 2014 ins Leben rief und seither seinen Standort in Nürnberg hat. Abseits vom Mainstream wählen die DJanes des Kollektivs Musik aus, mit der sie sich identifizieren und eine persönliche Botschaft transportieren können. Auch DJ-Workshops speziell für Frauen und Vorträge wie “Female empowerment in music” gehören zum Repertoire des Kollektivs. Für die Zukunft möchte sich Westermeier neben den Workshops auch weiter auf ihre künstlerische Arbeit konzentrieren.

Sandra Enard

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