Eine neue Frisur, ein leichter Akzent oder ein anderer Kleidungsstil: Wer „anders“ ist, hebt sich von der Masse ab. Doch der Grat zwischen Individualität und Ausgrenzung ist schmal – vor allem bei Jugendlichen. Was als schlechter Witz oder Hänselei beginnt, endet oft als starke psychische Belastung für das Opfer. Im Internet können sich Mobbing-Täter hinter Fake-Profilen verstecken – deshalb ist Cybermobbing so gefährlich.
Es beginnt oft mit einem harmlosen Witz. Einem blöden Spitznamen. Einer peinlichen Geschichte. Einem unangenehmen Foto. Vermeintlich banale Hänseleien können sich leicht verselbstständigen und schwere psychische und körperliche Folgen für das Opfer haben. Waren Ausgrenzung und Mobbing vor einigen Jahren auf die reale Welt begrenzt, sind Kinder und Jugendliche inzwischen in sozialen Netzwerken und mit ihrem Smartphone rund um die Uhr erreichbar – auch für Beleidigungen, üble Nachrede und andere Formen der psychischen Gewalt.
Doch was ist Mobbing? „Unter (Cyber-) Mobbing (Synonym zu Cyber-Bullying) versteht man das absichtliche Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen anderer (…) über einen längeren Zeitraum hinweg.“ Das schreibt die EU-Initiative Klicksafe. Ein Täter – oft auch eine Gruppe von Tätern – sucht sich ein Opfer, das sich nicht wehren kann und unterlegen ist. Es besteht ein starkes Machtungleichgewicht.
Cybermobbing: Ausgrenzung und Beleidigung im Internet
„Eine klassische Definition für Cybermobbing haben wir nie festgelegt“, sagt Sabine Natzke. Die Sozialpädagogin hat für die Jugendinformation Nürnberg in zahlreichen fränkischen Schulen Workshops zum Thema Cybermobbing gehalten. „Die Besonderheit am Cybermobbing ist, dass es über verschiedene Medien läuft.“ Das bedeutet: Die Opfer sind 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr erreichbar. „Es gibt für Betroffene keine Ruhephasen und keinen Urlaub“, so die Expertin.
Die JIM-Studie (Jugend, Information, Multimedia) 2016 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest hat gezeigt, dass in der Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen jeder Dritte (34 %) in seinem Bekannten- oder Freundeskreis Cybermobbing erlebt hat. Je älter die Befragten waren, desto größer war der Anteil derer, die Beleidigungen via Handy oder Internet miterlebt haben. Bei Cybermobbing handelt es sich nicht um Einzelfälle.
Ein Opfer psychischer Gewalt wird man schnell
Die Ursache für Cybermobbing ist oft banal. Ein Witz über das Outfit einer Person, eine andere Glaubensrichtung oder ein Akzent. Jugendliche, die ‚anders‘ sind, erfahren häufig Ausgrenzung und Beleidigung. Die Täter nehmen dabei meist nicht wahr, wie weit sie gehen. Für sie handelt es sich nur um einen Spaß. Menschen auf der Täterseite schätzen die Situation noch als witzig ein, während der Spaß für das Opfer schon lange aufgehört hat.
Cybermobbing überschreitet oft die Grenzen des Gesetzes. Zwar ist Cybermobbing an sich kein Straftatbestand, doch einzelne Taten sind strafbar und können zur Anzeige gebracht werden. Hier greifen die Paragrafen 185, 186 und 187 des Strafgesetzbuches. Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung können mit Geld- oder mehrjährigen Freiheitsstrafen belangt werden. Auch Nötigung, Bedrohung, Verletzung des persönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes werden in Mobbingfällen belangt. Konkret heißt das: Wer die Aufnahme eines privaten Gespräches oder Bilder aus dem persönlichen Bereich einer Person (Umkleidekabine, Toilette) an Dritte weitergibt beziehungsweise im Internet veröffentlicht, macht sich strafbar.
Appetitlosigkeit, Depression und Suizid: So weit kann Cybermobbing führen
Die Folgen von psychischer Gewalt – egal ob im Internet oder in der realen Welt – sind gravierend. „Die psychische Belastung äußert sich häufig in körperlichen Symptomen“, sagt Sabine Natzke. Appetitlosigkeit, Magenkrämpfe oder Kopfschmerzen gehören ebenso dazu wie sozialer Rückzug, Isolation, Lustlosigkeit und Antriebslosigkeit. Als Folge der psychischen Schikane kann eine Depression entstehen. Auch Selbstverletzungen können durch Mobbing ausgelöst werden. „Das Schlimmste, wohin man jemanden treiben kann, ist der Suizid“, sagt die Sozialpädagogin Natzke. Das Problem: Die Opfer schämen sich oft und suchen die Schuld bei sich selbst. Sie versuchen mit der unerträglichen Situation alleine klarzukommen und verschließen sich vor Bezugspersonen wie den Eltern, Freunden oder Lehrern.
Hilfe für Betroffene
Für (Cyber-)Mobbingopfer gibt es mittlerweile verschiedene Hilfsprogramme. Der erste Schritt ist dabei bedeutend. Betroffene müssen sich einen Ansprechpartner suchen und sich öffnen. „Mit jemandem über die belastende Situation sprechen – das ist in meinen Augen das Wichtigste“, sagt Pädagogin Natzke. Unerwünschte Inhalte im Netz können gelöscht, Benutzer sozialer Netzwerke gemeldet werden. Die Täter kommen meist aus dem Bekanntenkreis und können überführt werden. Auch bei anonym erstellten Internetseiten kann die Polizei den Ursprung ermitteln und den Mobber zur Rechenschaft ziehen.
Eine Anlaufstelle für Betroffene ist Christian Brunner. Er ist Cybermobbingbeauftragter der Polizei Nürnberg und berät anonym unter 0911/21125519. Außerdem haben Mobbing-Opfer die Möglichkeit eine Sprechstunde mit dem Beauftragten zu vereinbaren.
Im Internet finden Betroffene und Angehörige unter www.klicksafe.de viele Informationen zum Thema Cybermobbing. Auch beim Mobbing Netzwerk gibt es im Großraum Nürnberg Hilfe. Das Netzwerk hat seinen Sitz in Herzogenaurach.