Sauturm, Galgentor und Kummereck: Unterwegs auf dem Rothenburger Turmweg

Ein Beitrag von Caroline Potthoff, Pauline Held

Insgesamt 46 Türme stehen heute in Rothenburgs Altstadt, die meisten entlang der Stadtmauer oder an einem der sechs Haupttore. Die vier Kilometer lange Route, die mit Informationstafeln bestückt und rund um die Uhr begehbar ist, nimmt die Menschen mit auf eine Reise in die Geschichte der Wehranlagen im Mittelalter.

Turmweg
Rödertor-Turm
Rödertor-Turm

Wir starten unsere Tour im Osten der Altstadt an einem der sechs Haupttore: dem Rödertor. Auf den ersten Blick ähnelt es mit seinem Torhaus und dem 40 Meter hohen Turm einer kleinen Festung. Das Rödertor entstand im 13. Jahrhundert. Der Rödertor- Turm, der hoch über die Toranlage herausragt, wurde bereits Ende des 12. Jahrhunderts erbaut.

Von Juni bis August können Besucher den Turm besteigen. Von oben bietet sich nicht nur eine tolle Aussicht. Im Turmzimmer befindet sich eine Ausstellung des Vereins Alt- Rothenburg, die die zerstörte Stadt im zweiten Weltkrieg zeigt.

VERLIESE ROTHENBURGS

Faulturm
Weiberturm

Das Mittelalter ist neben seinen Wehranlagen berüchtigt für seine dunklen Verliese. In unmittelbarer Nachbarschaft des Rödertors stehen der Weiberturm und der Faulturm. Wie der Name sagt, mussten im Weiberturm Frauen ihre Strafe verbüßen.

Wer im Faulturm landete, galt als Schwerverbrecher. Der markante, 41 Meter hohe Bau ist Teil der Stadtbefestigung. Hier fand das Technische Hilfswerk im Jahr 1955 die Überreste von zehn menschlichen Skeletten.

Strafturm
Markusturm

Ein weiteres Gefängnis befand sich bis 1844 im Markusturm. Das Besondere: Der Turm ist Teil der ersten Stadtbefestigung und steht neben der Straße. An ihn grenzt der Röderbogen an, der als Durchfahrt dient. Heute sind im Markusturm Teile des Stadtarchivs untergebracht.

Über dem Taubertal ragt das vierte Turmverlies empor: der Strafturm. In seinen Mauern wurden Männer mit leichteren Vergehen eingekerkert.
Ein Entkommen war völlig ausgeschlossen. Wächter seilten die Gefangenen durch das „Angstloch“, eine runde Öffnung auf Höhe des Eingangs, bis auf den Grund ab. Die einzige Lichtquelle war ein kleines Fenster.

Klingentor

150 Meter weiter steht das mächtige Klingentor, das schon im Mittelalter die Verbindung zum Taubertal darstellte. Dem 37 Meter hohen Klingentor-Turm kommt eine besondere Bedeutung zu: Im Jahr 1595 errichtete die Stadt eine Druckleitung, die Wasser von der Bronnenmühle im Taubertal bis in die Turmspitze pumpte. Dort diente ein Kessel als Sammelbecken und versorgte die Brunnen der Stadt mit Wasser. Der rot-braune Kessel steht noch heute im Klingentor-Turm. Mittlerweile ist er verstaubt und von Spinnweben überzogen.

Weiter geht es auf der Stadtmauer nach rechts zum Henkersturm. Hier wohnte am Rand der Stadt der Henker mit seiner Familie.
Von der Bevölkerung gemieden, kam ihm eine Außenseiterrolle innerhalb der Stadt zu.

Er war gezwungen, sich durch auffällige Kleidung oder Glöckchen schon von weitem anzukündigen. So konnten ihm die Einwohner rechtzeitig aus dem Weg gehen.

Der Beruf vererbte sich vom Vater auf den Sohn. Daneben durfte er nur die Tochter eines anderen Henkers heiraten. Fand er keine, stand lediglich eine verurteilte Straftäterin zur Auswahl.

Kummereck

Der Weg auf der Stadtmauer Richtung Osten führt zum Kummereck. Hier luden die Menschen im Mittelalter ihren Schutt und Unrat ab.
Gleich in der Nachbarschaft übte der Abdecker noch bis ins 20. Jahrhundert sein Amt aus. Seine Aufgabe: Er holte die toten Tiere von den Stadtbewohnern ab, beseitigte sie oder verwertete die Tierreste. Die Kadaver vergrub er anschließend außerhalb der Stadtmauern. So wollte man Geruchsbelästigung und Seuchengefahr vorbeugen.

Glagentor

Rund 100 Meter weiter steht das Würzburger Tor, unter den Einheimischen besser bekannt als Galgentor. Es thront auf der höchsten Stelle Rothenburgs, 438 Meter über dem Meeresspiegel.
Im Mittelalter führte es in Richtung des Galgenplatzes, der weit vor den Toren der Stadt ein Schauplatz der Blutgerichtsbarkeit war.

Seit 1368 besaß Rothenburg die Blutgerichtsbarkeit, ein Amt, das ursprünglich nur der König ausüben durfte. Dieser übertrug die Funktion auf seine Grafen.
Vor dem Blutgericht verhandelten die Menschen schlimme Verbrechen wie Mord, Raub, Diebstahl, Gotteslästerung oder Ehebruch.

Spitalturm

Die wohl beeindruckendste und mächtigste Wehranlage der Stadt ist das Spitaltor. Es wurde zwischen 1537 und 1586 in Form einer Acht erbaut. Noch heute können Besucher den Geschützgang mit Kanonen im Inneren des Spitaltors besichtigen.

Sauturm

Unsere Tour endet am Sauturm. Er befindet sich 200 Meter vom Spitaltor entfernt auf der Seite des Taubertals. Die Bauweise ist einzigartig, denn der Sauturm ist der Stadtmauer vorgebaut. Nur eine Brücke verbindet ihn mit dem Rest der Stadtbefestigung.
Doch wie kam der Sauturm zu seinem Namen? Täglich haben die Hirten ihre Tiere aus der Stadt hinaus, am Sauturm vorbei in das Taubertal zum Fressen getrieben. Die Schweine hatten dabei eine Sonderstellung: Sie waren die wertvollsten Tiere der Bauern. Deshalb durften sie am Morgen als erstes die Stadt verlassen und mussten am Abend als letzte in ihren Stall zurückkehren.

Das sind typischen Bauweisen, welche in Rothenburg zu finden sind.

Auf dem Turmweg können Einheimische und Touristen in die Bauweise, die Verteidigungsanlagen und den Alltag im Mittelalter eintauchen. Da die Route größtenteils auf der Stadtmauer verläuft, erhält man einen einzigartigen Blick auf die Altstadt.
Unser Tipp: Nehmt euch für die Begehung einen Gästeführer zur Seite. Auch wir haben die 46 Türme mit verschiedenen Experten erkundet. Hätten wir das nicht getan, wüssten wir jetzt zum Beispiel nicht, woher der Sauturm seinen Namen hat.

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