Die Radball-Weltmeister aus Franken

Staffelsieger der ersten Bundesliga, Deutschlandpokalsieger und jetzt die Krönung aller Titel für Gerhard Mlady (27 Jahre) und Bernd Mlady (27 Jahre): Weltmeister! Nach dem 4:3-Sieg gegen Gastgeber Österreich im November 2017 dürfen sich die Cousins nun offiziell Weltmeister im Radball nennen. Schon seit 21 Jahren spielen sie zusammen für den RMC Lohengrin Stein.

Radball ist eine Radsportart, bei dem in der Regel immer Zweierteams eine Mannschaft bilden und auf Tore spielen. Das Ziel ist es, den Ball nur mit dem Fahrrad zu spielen und in zwei Mal sieben Minuten die meisten Tore zu schießen. Bei dieser Sportart ist eine auszeichnende Bewegungsmotorik und Geschicklichkeit mit dem Radballrad gefragt. Mit einem herkömmlichen Fahrrad hat jenes nämlich nicht viel gemeinsam. Radballräder haben spezielle Lenker, einen starren Gang und keine Bremsen.

Der frischgebackene Weltmeister Gerhard studiert derzeit den Masterstudiengang Informations- und Kommunikationstechnik an der FAU Erlangen. Neben dem Studium und dem harten Training hat er sich die Zeit genommen, uns zu erklären, warum gerade Radball ihn so begeistert und wie er sich seinen Spitznamen „The Wall“ verdient hat.

FrankenSein: Radball ist keine allzu bekannte Ballsportart. Wie bist du darauf gekommen?

Zu Radball bin ich deshalb gekommen, weil mein Vater bzw. Bernds Vater Radball spielen. Unser Opa hat auch Radball gespielt. Also liegt es bei uns völlig in der Familie.

Bernd hat früher Radball und Fußball gespielt. Ich habe Kunstturnen gemacht und Radball gespielt. Irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem zwei Sportarten an einem Wochenende nicht mehr gehen. Das ist dann einfach zu viel Aufwand. Bernd hat sich für Radball entschieden. Mir hat damals mein Trainer im Kunstturnen nicht gefallen, oder ich war zu schlecht, wahrscheinlich zweiteres (lacht). Deshalb habe ich auch gesagt, ich möchte Radball spielen.

FrankenSein: Wie war euer Werdegang zum WM-Titel?

Erst kam die Bayerische Meisterschaft im Nachwuchs. Dann sind wir Jahrgangsstufe für Jahrgangsstufe auf die Deutsche Meisterschaft gekommen. In den letzten Juniorenjahren waren wir auf den Europameisterschaften für den Nachwuchs. Die Jahre darauf sind wir direkt in die zweite Bundesliga aufgestiegen, weil wir Deutscher Meister wurden. Da sind wir im ersten Jahr nicht aufgestiegen, haben aber den U23-Europacup geholt. Im zweiten Jahr sind wir dann endlich in die erste Bundesliga aufgestiegen und haben die folgenden Jahre immer unter den Top 5 gespielt – wir waren also jedes Jahr auf der Deutschen Meisterschaft. 2016 wurden wir dann zum ersten Mal Deutscher Meister und dritter Platz in der Weltmeisterschaft.

FrankenSein: Und 2017 dann in Dornbirn (Österreich) endlich der ersehnte Weltmeister-Titel!

Genau. Dieses Jahr haben wir auch wieder die Bundesliga gewonnen, bei der deutschen Meisterschaft sind wir nur zweiter geworden. Da haben wir im Finalspiel leider den Kürzeren gezogen. Aber in der Weltmeisterschaft haben wir dafür den ersten Platz geholt.

FrankenSein: Was ist eure Strategie, dass ihr so lange auf höchstem Niveau spielen könnt? Was ist Bernds Stärke, für was bist du im Spiel verantwortlich?

Mit der Zeit kristallisiert sich heraus, dass einer im Tor spielt und der andere spielt Außen. Man spezialisiert sich auf eine Aufgabe, denn beides nur halb ist nicht so gut. Da war von Anfang an immer klar, dass ich ins Tor gehe und der Bernd außen spielt. Das ist auch unsere Strategie in der Verteidigung.

FrankenSein: Kommt auch daher dein Spitzname „The Wall“ (engl. „Die Wand“)?

„The Wall“ ist jetzt bei der Weltmeisterschaft aufgekommen. Es war so, dass wir im Halbfinale gegen die Schweiz 1:0 gewonnen haben. Die Schweiz hatte ca. acht Ecken, hat es aber nicht geschafft, an mir vorbeizukommen, obwohl sie eine Quote von 90% hatten. Da ist dann der Spitzname „The Wall“ aufgetaucht (lacht).

FrankenSein: Dein Vater und Onkel sind gleichzeitig Trainer und Betreuer. Wie ist es, wenn man Familie und Sportkarriere so eng miteinander verknüpft?

Es ist ein Vorteil, wenn der Vater der eigene Trainer ist. Wenn ich jetzt beispielsweise einen anderen Sport machen würde, wo ich mit dem Trainer nichts zu tun habe, außer dass ich ihn in der Halle sehe, dann ist es für mich leichter zu sagen: Ich komme heute nicht ins Training. Weil dann muss ich meinem Trainer nicht gegenüberstehen und ihm erklären, warum ich nicht komme. Aber wenn es der eigene Vater ist, der kommt dann nach dem Training nach Hause und fragt dich aus: „Warum bist du nicht gekommen“? Deswegen war man sozusagen immer ein bisschen gezwungen ins Training zu gehen, auch wenn man keine Lust hatte, dann ist man trotzdem gegangen. Und dadurch wird man besser. Aber es natürlich ist klar, mein Vater ist mein Vater und mein Onkel ist mein Onkel, das können wir trennen. Der Bernd und ich, wir kennen es nicht anders.

FrankenSein: Wie sieht die Vorbereitungsphase für ein Radball-Turnier aus? Wie hart ist das Training und wie trainiert ihr?

Im Radball ist es schwierig, sich auf eine Turnierphase vorzubereiten. Wir haben eine Phase, die geht von Januar bis Mai. Das sind die regulären Spieltage mit dem Deutschlandpokal. Dann kommt für die besten fünf der Bundesliga von September bis Ende November nochmal eine Phase. Das sind dann die Qualifikationsspiele für WM und die WM selbst. Deswegen ist es im Radball schwierig zu sagen, man hat jetzt eine Phase, auf die man sich gezielt vorbereiten muss.

Natürlich bereiten wir uns am Schluss der zweiten Phase, wo es auf die WM zugeht, noch mal mehr vor. Man geht mehr auf das Spiel der Gegner ein. Davor muss man sich auf sich konzentrieren, auf den Spieltagen dominant sein und zeigen, dass man’s kann, sich nicht unterkriegen lassen. Auch wenn man mal hinten liegt, dann einfach trotzdem weiterspielen und Ruhe bewahren. Damit man einfach Routine kriegt, auch wenn mal ein Spiel verloren geht.

FrankenSein: Bleibt da neben dem Sport noch Zeit für Hobbys?

Ja das ist schwierig mit Hobbys. Abends haben wir meistens zwei bis dreimal die Woche Training auf dem Fahrrad. Dann besucht man noch das Fitnessstudio oder geht laufen oder zum Spinning. Am Wochenende hat man dann auch noch Turniere, dann ist es schwierig mit Freizeit. Aber das bisschen was man neben dem Studium noch hat, versucht man dann mit Freunden zu verbringen und rauszugehen, sodass man halt nicht nur für den Sport und die Arbeit lebt.

FrankenSein: Du hast dir eine Profikarriere mit Radball aufgebaut. Kann man davon leben?

Von Radball kann man überhaupt nicht leben. Wir bekommen zwar Geld von unserem Sponsor, aber es ist nicht so, dass wir sagen können, dass wir von Radball unseren Lebensunterhalt bestreiten können.

FrankenSein: Inwieweit ärgert es dich dann, dass andere Sportarten mehr beachtet werden und man dort auch deutlich mehr verdienen kann?

Wir sind ja auch Leistungssportler in dem Sinne. Ich will jetzt nicht sagen, dass zum Beispiel Fußballer weniger hart arbeiten. Das kann ich nicht sagen, weil die müssen auch die ganze Zeit trainieren und machen und tun. Aber die verdienen halt damit ihr Geld und es ist unfair, dass sie mit ihrem Hobby, dass sie zu ihrem Beruf gemacht haben, leben können. Und wir machen unser Hobby auch fast zum Beruf, verdienen kein Geld und brauchen dann einen Beruf nebenher. Das ist halt schade.

Aber andererseits finde ich es gut, dass es kein Geld gibt. Weil sonst wäre diese Sportart einfach nichts mehr wert. Dann würde jeder einfach nur auf das Geld schauen und irgendwelche Spieler einkaufen. Deshalb bin ich froh, dass ich in einer Sportart unterwegs bin, wo man nichts verdient und wirklich noch alles aus Spaß macht. Wir verdienen alle nichts, deswegen geht es auch nicht brutal zu. Ich glaube durch den Leistungsdruck würde der Spaß auch einfach verloren gehen.

FrankenSein: Würdest du dich nochmals für diese Sportart entscheiden, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?

Ja, ich würde mich noch mal für Radball entscheiden, weil mir der Sport einfach richtig gut gefällt. Mir ist es nicht wichtig, dass ich Weltmeister geworden bin. Es ist für mich ein Triumph, ein Erfolg, der Beste der Welt zu sein. Aber mir kommt es nicht darauf an. Ich mache den Sport, weil ich ihn machen möchte. Und ich würde es jederzeit wieder machen, weil mir der Sport gefällt und weil mir das Umfeld dazu gefällt. Und wenn ich jetzt in der zweiten Liga spielen würde und nicht gut genug für erste Liga wäre, dann würde ich trotzdem spielen, weil mir der Sport einfach Spaß macht.

FrankenSein: Was für Zukunftspläne hast du für Radball?

Wir haben vor, nächstes Jahr unseren Titel zu verteidigen. Dazu müssen wir erst mal wieder in Deutschland ganz oben stehen, damit wir uns wieder qualifizieren. Das ist jedes Jahr schwierig, es ist nicht so, dass es ein Selbstläufer wird. Aber wir haben vor, nächstes Jahr wieder auf der Weltmeisterschaft zu spielen, die in Belgien stattfindet. Und da wollen wir dann auch unseren Titel verteidigen.

Vielen Dank für das Interview, Gerhard. Wir wünschen dir und Bernd für eure Zukunft alles Gute.

Tanya Sarikaya

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