Faszination Motorradfahren – Reiz mit hohem Risiko

Motorradfahren vereint Abenteuer, Spaß und Gefahren zugleich. Wer mit einem Kraftrad unterwegs ist, braucht Erfahrung, den berühmten siebten Sinn und die passende Schutzausrüstung. Und dennoch: Ein Motorradfahrer hat weder eine Knautschzone noch einen Airbag oder Gurt. Vorausschauendes Fahren ist gefragt.

Freiheit, Individualität und Geschwindigkeit – das sind nur einige Schlagworte, mit denen Biker ihre Faszination am Motorradfahren beschreiben. Die ersten warmen Sonnenstrahlen im Frühling locken jährlich tausende Kurvenjäger auf die bayerischen Straßen. Das Risiko fährt dabei jedoch immer mit: Die schmale Silhouette der Maschine kann einem Kradfahrer schnell zum Verhängnis werden. Häufig wird sie von Autofahrern, Radfahrern oder Fußgängern übersehen oder die starke Beschleunigung der Motorräder wird unterschätzt.

Ähnlich wie Hochleistungssport

Hasenmüller in einem PolizeiautoAuch wenn es nicht unbedingt jedem Sonntagsfahrer anzusehen ist: „Motorradfahren ist anstrengend“, erklärt Ludwig Hasenmüller, der zuständige Sachbearbeiter für Verkehr im Landkreis Ansbach. Als junger Erwachsener legte er mit seiner 750er Honda ganze 60.000 Kilometer zurück, glücklicherweise unfallfrei.

Seitdem sind einige Jahre vergangen und die Motorräder wurden von Zeit zu Zeit immer leistungsstärker: Bei einem Gewicht von etwa 200 bis 220 Kilo und einer Leistung von bis zu 150 PS beschleunigt man seine Maschine heutzutage binnen drei Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde. „Das sind Beschleunigungswerte, die man sich kaum vorstellen kann und die dem Fahrer hohe Konzentration abverlangen“, so Hasenmüller. Die Prozesse, die im Körper ablaufen, sind ähnlich wie beim Hochleistungssport. Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur steigen und der Kreislauf läuft auf Hochtouren.

Mit Vollgas in die Saison

Gerade zum Saisonstart im Frühling müssen sich die anderen Verkehrsteilnehmer erst wieder an die vielen Zweiräder im Verkehr gewöhnen. Die Straßen sind noch kalt und der Winter hat mit Schmutz und Schlaglöchern seine Spuren hinterlassen. Daher können Kraftradfahrer zu Beginn der Motorradsaison schnell überfordert sein. Außerdem ist bei jüngeren Menschen die Risikobereitschaft höher und es fehlt vielfach noch die Erfahrung. Dies ist eine gefährliche Mischung, die jedes Jahr aufs Neue viele Opfer fordert.

2017 wurden in Mittelfranken in einer Zeitspanne von Januar bis September insgesamt 19 Motorradfahrer tödlich verletzt und diese Zahlen steigen von Jahr zu Jahr an. Im Vorjahr waren im Vergleichszeitraum nur neun getötete Motorradfahrer zu beklagen, so Karl Kirchner, Polizeihauptkommissar des Polizeipräsidiums Mittelfranken in Nürnberg. Zum Auftakt der Saison gilt es daher langsam zu starten, zu trainieren und sich mit dem Motorrad wieder vertraut zu machen.

Konzentration, Geschwindigkeit, Abstand

Wie schnell ein Unfall tatsächlich geschehen kann, hat Stefan aus Herzogenaurach hautnah erlebt. In einem Motorradurlaub in Österreich kam er plötzlich von der Straße ab, schliff zuerst die Leitplanke entlang und prallte dann mit voller Wucht gegen eine Steinwand auf der anderen Straßenseite. Er erinnert sich noch gut an den Unfallhergang. Eine Unebenheit im Asphalt in einer Linkskurve war die Ursache des schweren Unfalls. Stefan hatte Glück im Unglück: Sein Halstuch unter der Lederkombi verhinderte, dass die scharfe Leitplanke seinen Hals aufschlitzen konnte. Zudem kamen glücklicherweise keine anderen Fahrzeuge entgegen. „In wenigen Sekunden habe ich die Straße schneller geküsst als ich dachte“, scherzt er heute. In anderen Fällen kam jedoch jede Hilfe zu spät. Stefan erinnert sich an eine gute Freundin aus der Nachbarregion, die nach einem Motorradunfall ihren schweren Verletzungen erlegen ist.

Seit diesem tragischen Vorfall hat sich sein Fahrverhalten stark verändert. Für ihn ist vorausschauendes Fahren das A und O. Um das Verhalten und mögliche Fehler anderer Verkehrsteilnehmer einkalkulieren zu können, wünscht sich auch Ludwig Hasenmüller, dass Motorradfahrer vorausschauender fahren und eine Art siebten Sinn entwickeln. Je eher eine Gefahr erkannt und richtig eingeschätzt wird, desto geringer ist das Risiko abrupter Fahrmanöver, mit denen ein Motorradfahrer nicht nur sich, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden könnte.

Reiz mit hohem Risiko

Jährlich ereignen sich im Regierungsbezirk Mittelfranken im Durchschnitt ca. 800 Motorradunfälle. Im Halbjahreszeitraum von Januar bis Juni 2017 wurden in der mittelfränkischen Region 356 solcher Unfälle registriert. Davon waren die verunfallten Biker mit einem Anteil von 50 Prozent Hauptverursacher. Nicht selten spielen hier überhöhte Geschwindigkeiten, Leichtsinn und Selbstüberschätzung eine große Rolle. Schnelligkeit, Kurvenlage und Motorgeräusche übertönen Sicherheit und Vernunft. Auch zu dichtes Auffahren und unvorsichtige Überholmanöver sind Unfallgründe.

Wissenschaftliche Untersuchungen der Zentralstelle für Verkehrssicherheit des bayerischen Innenministeriums zeigen zudem, dass das Sichtfeld eines Motorradfahrers nur 30 Prozent beträgt, das des Autofahrers immerhin 70 Prozent. Dazu kommen hohe fahrphysikalische Anforderungen an einspurige Fahrzeuge wie Seitenwind, wechselnde Fahrbahnbeschaffenheit, Bremsverhalten und Witterungsverhältnisse. Diese werden von vielen Bikern unterschätzt. Gerade kleinere Landstraßen weisen unübersichtliche Kurven, die sich plötzlich zuziehen oder gefährliche Straßeneinmündungen, die oft übersehen werden, auf. Wenn dann ein Fußgänger oder Radfahrer noch schnell über die Straße huschen will oder ein PKW-Fahrer noch schnell aus einer Seitenstraße ausfährt, hilft nur noch eine Vollbremsung oder ein riskantes Ausweichmanöver mit hohem Sturzrisiko.

Kollisionsgegner heißt Auto?

Die anderen 50 Prozent der Motorradunfälle im Jahr 2017 ereigneten sich durch Fremdeinwirkung. Dem Motorradfahrer wird vielfach die Vorfahrt genommen aufgrund von Augenblicksversagen oder Ablenkung durch technische Geräte wie Smartphone oder Navi. Diese Aspekte stehen jedoch in engem Zusammenhang mit der schmalen Silhouette und dem hohen Beschleunigungsvermögen der leistungsstarken Zweiräder, so Verkehrspolizist Hasenmüller aus Ansbach. Den anderen Verkehrsteilnehmern fällt es daher schwer, den Abstand und die Geschwindigkeit der Motorräder richtig einschätzen zu können. Gepaart mit einer fehlenden Knautschzone oder Airbags treffen viele Aspekte aufeinander, die dem Motorradfahrer schnell zum Verhängnis werden können.

Übung macht den Meister – Fahrsicherheitstrainings in Ansbach

Um ein gutes Gefühl für Blickführung, Kurventechnik, Schräglage und sicheres Fahren zu bekommen, empfiehlt sich zum Saisonstart ein Fahrsicherheitstraining. Dafür gibt es deutschlandweit zahlreiche Möglichkeiten und verschiedene Anbieter, beispielsweise den ADAC. Die Kosten werden von vielen Berufsgenossenschaften teilweise oder ganz übernommen.

In Ansbach bietet die Kreisverkehrswacht Ansbach kostenlos solche Kurse an. Neben Fahrschullehrern arbeiten dort auch ehrenamtlich Polizeibeamte. Die Kurse richten sich vor allem an junge Motorradfahrer, die seit mindestens sechs Monaten den Führerschein besitzen und schon über eine gewisse Fahrpraxis verfügen. Die Kurse finden jeweils am Samstagnachmittag statt. Weitere Informationen zum Training und zur Anmeldung findet ihr auf www.kreisverkehrswacht-ansbach.de.

Isabella Biermeier

David Ferstl

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