Von Gotik bis Wilhelminische Zeit: „Deutsches Haus“ vereint mehrere Epochen

Planetengötter, Strahlen-Madonna und Atlanten: Das Fachwerkhaus „Deutsches Haus“ in der Dinkelsbühler Altstadt strotzt vor Details wie Holzschnitzereien, Figuren und Malereien. Unter Kunsthistorikern gehört die über 400 Jahre alte Fassade zu den größten Leistungen der deutschen Spätrenaissance.

Das heutige Hotel war einst das Stammhaus der gräflichen Familie von Drechsel. Sie sind auch die Erbauer des damaligen gotischen Steinhauses aus dem Jahr 1440. Von der Dinkelsbühler Dynastie stammt der ursprüngliche Name „Drechsel Haus“. 1543 ließ der Hausbesitzer Hans Drechsel, der Ratsherr und Bürgermeister der Stadt Dinkelsbühl war, das Patrizierhaus überarbeiten. Er ordnete an, die gotische Steinfassade auszubrechen und durch eine Renaissancefassade, der heutigen aus Holz, zu ersetzen. Das „Drechsel Haus“ ist bereis im 16. Jahrhundert Herberge, zudem wird das Gebäude in alten Dokumenten als Medizinerei erwähnt.

Hausfassade bringt Religion der Familie zum Ausdruck

Florian Kellerbauer

In den Figuren und Schnitzereien spiegelt sich noch heute die Lebensgeschichte und Konfessionen der Familie von Drechsel wider.

„Sie war eine katholische Familie, in welche die protestantische Frau Schuster einheiratete“, weiß der Leiter des heutigen Hotels „Deutsches Haus“, Florian Kellerbauer. Im Zuge des Umbaus sollten beide Konfessionen durch die Hausfassade dargestellt werden, was für die damalige Zeit ganz besonders sei, erklärt der Hotelleiter.

Neben christlichen Symbolen sind weitere Holzfiguren zu sehen, die auf einen gebildeten Hausherren hinweisen: Das Obergeschoss der Vorderfront schmücken die sieben Planetengötter. In der Zeit des Umbruchs vom Mittelalter zur Neuzeit im 15. und 16. Jahrhundert existierte der Glaube, die Planeten sind Götter, die das Schicksal der Menschen vorausbestimmen können. Die Verehrung durch die hölzernen Figuren an der Fassade sollte diese gütig stimmen und den Hausbewohnern Glück bringen. Ein weiteres wichtiges Detail an der Fassade sind die acht stehenden, holzgeschnitzten Atlanten. In der griechischen Mythologie sind diese als Träger der Himmelskörper bekannt. An der vorderen Hauswand des „Deutschen Hauses“ stützen sie sinnbildlich die einzelnen Stockwerke mitsamt den Planetengöttern.

Ein weiteres Schmuckstück befindet sich im Inneren

Der Namenswechsel des Hauses erfolgte während der Wilhelminischen Epoche (1890–1914). Damals gewann der Patriotismus an Bedeutung, weshalb das „Drechsel Haus“ zum „Deutschen Haus“ wurde. Das heutige Vier-Sterne-Hotel beeindruckt auch von innen: In der Hotellobby befindet sich ein weiteres historisches Schmuckstück. Die bemalte Decke ist noch im Originalzustand des 15. Jahrhundert und ist damit der einzige komplett erhaltene Bereich aus der Anfangszeit. Die zahlreichen architektonischen Details aus den verschiedenen Zeitaltern machen das historische Hotel von Florian Kellerbauer zu einem der beeindruckendsten Häuserschätze in Dinkelsbühl. „Man sieht an den vielen Facetten aus den unterschiedlichen Epochen, dass das Haus gelebt hat und dass hier viel passiert ist. Das Hotel wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals überarbeitet und alle einzelnen Epochen sind in ihrer Form erhalten geblieben“, schwärmt der Hotelleiter.

Franziska Roos

Alisa Zellner

Walid Sousa

Alisa Zellner, Aurach, Binzwangen, denkmalgeschützte Häuser, Denkmalschutz, Dinkelsbühl, Franziska Roos, Häuserschätze, Herrieden, historische Häuser, Rothenburg, Walid Sausa

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