Sie bezeichnet es nicht als Kunst, sondern als Handwerk: Regelmäßig arbeitet Karin Holzmann an ihren Reborns, also an Puppen, die aussehen wie echte Kinder und sich auch so anfühlen. Die Faszination für die „Wiedergeborenen“ begleitet sie jetzt schon seit fast 20 Jahren. Das Ergebnis sind ganz individuelle Sammlerstücke.
Weiche Haut, ein Stupsnäschen, dünne Haare. Das Baby lag schlafend in seinem Maxi-Cosi und Karin Holzmann wunderte sich, warum niemand ein Auge darauf hatte. Sie war mit ihrem Mann auf einem Flohmarkt unterwegs und konnte es nicht fassen, dass jemand tatsächlich ein Kind hatte stehen lassen. Erst als sie den schlafenden Knirps näher betrachtete, merkte sie: Vor ihr lag eine Puppe.
So erzählt Karin Holzmann von ihrer ersten Berührung mit Reborns. Das ist jetzt fast 20 Jahre her und Holzmann, 65, haben die Puppen, die so täuschend echt aussehen, seit diesem Moment nicht mehr losgelassen. Im zweiten Stock in ihrem Haus in Uffenheim liegen gut 15 sogenannte Reborns in Körbchen auf einem Doppelbett.
Die Entstehung
Holzmann hat all ihre Puppen selbst erschaffen. Sie mag es aber nicht, als Künstlerin bezeichnet zu werden, denn für sie ist die Arbeit mit den Puppen pures Handwerk. Durch Videos und Ratschläge aus einem Forum lernte sie, mit den Materialien umzugehen. Der Anfang war trotzdem ein einziges Ausprobieren.
Die allerersten zwei oder drei habe ich mit Puppenrouge gefärbt, das ist aber nicht so der Brecher, das hält nicht so und dann bin ich auf Jo Sonja umgestiegen. Das sind Acrylfarben, die werden gemischt und mit Wasser verdünnt.
Die Acrylfarben braucht sie zum einen, um eine Hautfarbe zu kreieren und zum anderen, um feine Äderchen zu malen, so dass die Haut täuschend echt aussieht. Dabei kommt es nicht nur auf einen ruhigen Pinselstrich an.
Das Licht ist sehr wichtig. Weil ich hab nämlich schonmal bei Kunstlicht gefärbt und schau das am nächsten Tag an und denk mir 'Um Gottes Willen', ist ja fürchterlich, da habe ich alles wieder entfärbt.
Die Grundierung, das Röten und schließlich die Äderchen sind aber erst der Anfang. Die meiste Zeit nimmt das „Rooten“ in Anspruch. „Rooten“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Verwurzelung“. Dabei sticht Holzmann Mohair, also Haare einer Angoraziege, einzeln in die Kopfhaut der Puppe. Sie muss bei jedem Stich die gewünschte Haardichte und Wuchsrichtung beachten. Vom Bausatz bis hin zum fertigen Reborn rechnet sie mit über 100 Stunden Arbeit und 200 Euro Materialkosten. Neben dem Bausatz braucht sie handgeblasene Augen, Angorahaare, Acrylfarben und eine Füllung für den Körper, zum Beispiel Glasgranulat, Steinchen und Watte. Die Füllung sorgt dafür, dass die Puppe in etwa so schwer ist wie ein echtes Baby. Am Ende kommt die Versiegelung mit Mattlack, bevor Holzmann das Reborn bei 125 Grad in einem Halogenofen brennt.
Die Faszination „Reborns“
Im Lauf der Jahre hat Holzmann schon mehrfach daran gedacht, mit dem Rebornen aufzuhören. Die letzte Puppe, Luca, wurde 2016 fertig. An ihrem aktuellen Reborn Erin wird sie noch eine Weile arbeiten. Bisher hat sie die Begeisterung aber immer wieder eingeholt.
Aus einem farblosen Bausatz da was zu machen, was wirklich aussieht wie ein Baby. Das war die Faszination irgendwie. Und dann kam noch dazu die Faszination, was man aus einem Bausatz alles machen kann. Wie unterschiedlich das ist. Ich hab schon zwei oder drei gleiche gemacht aber die waren dann trotzdem anders.
Auf Puppentagen in ganz Deutschland oder online können Interessierte auch direkt fertige Reborns kaufen. Die Preise reichen von wenigen hundert bis zu mehreren tausend Euro. Die Käufer haben ganz unterschiedliche Gründe: Für manche sind die Puppen sogar ein Babyersatz, für die meisten und auch für Holzmann aber lediglich ein Sammlerstück, das schön aussieht.
Ich mein das ist so ein zweischneidiges Schwert. Ich kann das für mich persönlich nicht nachvollziehen. Das ist für mich eine Puppe, ein Gegenstand. Aber ich würde es auch nicht verurteilen, aber ich kann es nicht nachvollziehen, wenn jemand eine Puppe wie ein Kind behandelt, oder als Kindersatz oder sonst was.
Sie verschenkt ihre Puppen lieber als Sammlerstücke an Bekannte: „Die freuen sich, dass das einfach nett aussieht.“ Wann sie mit ihrem nächsten Reborn anfängt, weiß sie noch nicht. Wenn sie online über Bausätze stolpert, juckt es Karin Holzmann aber schon wieder in den Fingern.