Für etwa 10,3 Millionen Menschen in Deutschland ist Barrierefreiheit ein unabdingbarer Lebensbestandteil – für alle anderen dient sie als sinnvolle und komfortable Erleichterung des Alltags. Im Landkreis Ansbach hat sich bezüglich der Barrierefreiheit in den vergangenen Jahren einiges getan. FrankenSein hat die Barrierefreiheit im öffentlichen und im privaten Raum näher betrachtet, barrierefreie Einrichtungen besucht und kommunale Entscheidungsträger zu Wort kommen lassen.
Barrierefreiheit ist im Landratsamt Ansbach nicht nur angekommen, sondern wir gehen auch mit gutem Beispiel voran, wie u.a. Aufzüge und barrierefreie Toiletten in unseren Gebäuden belegen. Für unsere Bemühungen wurden wir mit dem Signet „Bayern barrierefrei – Wir sind dabei“ ausgezeichnet. Unter unserem Dach bündeln wir Fachstellen, wie Bauamt, besondere soziale Angelegenheiten sowie den Beauftragten für Belange von Menschen mit Behinderung.
Dr. Jürgen Ludwig (Landrat Landkreis Ansbach)
Daniela Rupsch ist eine von 18 Berater*innen bei der Beratungsstelle Barrierefreiheit der Bayerischen Architektenkammer. Beauftragt vom Staatsministerium bietet sie allen, die die Barrierefreiheit in Bayern voranbringen wollen, eine bauliche Fachberatung an und steht einmal im Monat im Landratsamt Ansbach für kostenlose Beratungsgespräche zur Verfügung. Bei FrankenSein spricht sie über diese Tätigkeit.
Frau Rupsch, an wen richtet sich Ihr Angebot?
Unsere Zielgruppe ist tatsächlich jeder, der etwas mit Barrierefreiheit zu tun hat. Das können kommunale Entscheider sein, das können auch die Behinderten- und Seniorenbeauftragten der Kommunen, Städte und Gemeinden sein. Es können auch Privatpersonen sein oder auch Planer, die mit entsprechend öffentlichen Bauvorhaben beauftragt sind.
Worin liegen die Beratungsschwerpunkte?
Beratungsempfänger kommen mit einer konkreten Fragestellung baulicher Art zu uns und wir erläutern anhand von Plänen, wie man diese lösen könnte. Neben der baulichen Umsetzung von Barrierefreiheit beraten wir auch zu Fördermöglichkeiten. Ein weiterer Beratungsschwerpunkt ist die digitale Barrierefreiheit und die leichte Sprache.
Welchen Empfehlungen haben Sie für junge Familien, die das Thema Barrierefreiheit vielleicht noch nicht im Kopf haben?
Sinnvoll wäre es, nicht erst im akuten Bedarfsfall an Barrierefreiheit zu denken, sondern schon früher an einen Umbau oder eine Anpassung der Wohnung zu denken. Eine sinnvolle Möglichkeit ist der Einbau eines sogenannten Joker-Raums im Erdgeschoss. Darunter versteht man ein Zimmer, das jetzt mal als Spielzimmer für die Kinder, später dann als Homeoffice und am Lebensende als Schlafraum auf derselben Ebene genutzt werden kann.
Weitere Informationen zur Beratungsstelle Barrierefreiheit finden Sie unter https://www.byak.de/planen-und-bauen/beratungsstelle-barrierefreiheit.html
Ziel des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts ist, älteren Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben entsprechend ihren Vorstellungen im gewohnten Lebensumfeld zu ermöglichen. Dabei spielt Barrierefreiheit im öffentlichen und privaten Bereich eine wichtige Rolle. Der Landkreis achtet bei der Verwirklichung eigener Maßnahmen auf Barrierefreiheit. Durch die Bereitstellung von Informationen sowie die Durchführung von Veranstaltungen sensibilisiert er Verantwortliche und Öffentlichkeit für eine konsequente Umsetzung.
Inge Genthner (Fachstelle für Seniorenhilfeplanung)
Die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber ist durch Kopfsteinpflaster und viele verwinkelte Gassen gekennzeichnet. Oliver Körber ist als Mitglied des Stadtrats zugleich der Beauftragte für den Inklusionsbeirat und bildet das Bindeglied zwischen den beiden Gremien. Wie er sich dafür einsetzt, Rothenburg barrierefreier zu gestalten, erklärt er im Gespräch mit FrankenSein.
Herr Körber, wie weit ist die Stadt Rothenburg beim Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Raum schon fortgeschritten?
Ich mache mir nicht die Illusion, dass es in Rothenburg irgendwann eine komplett barrierefreie Altstadt geben wird. Es ist dennoch erkennbar, dass von Seiten der Stadt sehr viel in diese Richtung unternommen wird. So wird zum Beispiel darauf geachtet, dass möglichst immer eine Bahn vorhanden ist, auf der man sich als Rollstuhl- und Rollator-Fahrer gut bewegen kann.
Wo treten in Rothenburg die meisten Barrieren im öffentlichen Raum auf?
Das Kopfsteinpflaster schränkt die Bewegung in der Rothenburger Altstadt leider nach wie vor deutlich ein. Weitere Barrieren ergeben sich dadurch, dass fast jedes Haus über eine Eingangsstufe verfügt. Alles, was höher als drei Zentimeter ist, lässt sich als Rollstuhl- oder Rollator-Fahrer kaum überwinden.
Was wollen Sie diesbezüglich in den nächsten Jahren noch erreichen?
Früher oder später wollen wir die gesamte Altstadt für jeden begehbar machen. Zusammen mit dem Inklusionsbeirat habe ich angefangen, eine Datenbank aufzubauen, die Problemstellen in Rothenburg beinhaltet. Wir wünschen uns, dass dies sowohl von Menschen, die Barrieren eintragen können, als auch von der Stadt bei der Planung von Baumaßnahmen genutzt wird.
Meine Aufgabe besteht darin, darauf hinzuwirken, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und einer selbstbestimmten Lebensführung für alle zu ermöglichen und damit einhergehend unsere Lebensräume im Landkreis barrierefrei zu gestalten. Im Landkreis Ansbach sind wir auf einem guten Weg. Bei Neubau oder Sanierung öffentlicher Gebäude wird Barrierefreiheit weitestgehend umgesetzt. Auch der ÖPNV wird schrittweise auf barrierefreie Bushaltestellen und Niederflurbusse umgerüstet.
Gerhard Siegler (Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderung im Landkreis Ansbach)
Analog zum öffentlichen Raum treten auch im privaten Bereich Barrieren – nicht selten unvorhersehbar – auf. Aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns an der neurologischen Krankheit Multisystematrophie Typ C (MSA-C), hat sich Katja Breck mit ihrer Familie dazu entschieden, ein barrierefreies Modulhaus bauen zu lassen. Im Gespräch mit FrankenSein verrät die Akustikerin, was sich dahinter verbirgt und welche Vorteile diese Lösung mit sich bringt.
Frau Breck, wo treten die meisten Barrieren im privaten Raum auf und welche Aspekte waren Ihnen bei der Gestaltung des Modulhauses wichtig?
Im häuslichen Bereich treten die wesentlichen Bereiche im Badezimmer und im Schlafzimmer auf. In Modulhäusern können barrierefreie Aspekte sehr gut berücksichtigt und umgesetzt werden. Für uns war es zudem sehr wichtig, dass mein Mann mit dem Rollstuhl selbstständig das Haus verlassen und im Haus alle Räume erreichen kann.
Welche Gründe waren ausschlaggebend für die Entscheidung für das Modulhaus und welche Alternativen hätte es gegeben?
Je nach Anforderung, die sich durch eine Behinderung ergibt, können Modulhäuser in Abstimmung mit Ingenieuren und Architekten individuell angepasst werden. Die Bauzeit eines Modulhauses beträgt nur etwa die Hälfte der Bauzeit eines „normalen“ barrierefreien Stein-Bungalows. Eine weitere Alternative wäre ein Container-Haus gewesen.
Welchen Rat haben Sie für Menschen, die das Thema Barrierefreiheit in ihrem privaten Bereich eher missachten?
Im Gegensatz zu älteren Menschen ist auffallend, dass sich die jüngere Generation zunehmend Gedanken um die bauliche Zukunft ihres Eigenheims macht. Ich kann nur jedem raten, vorausschauend zu agieren und sich intensiv Gedanken zu machen, wie man mit möglichst wenig Aufwand eine gute Wohnqualität beibehalten kann. Eine Planung im Vornherein ist eben wesentlich einfacher und kostengünstiger als ein Umbau.
wheelmap.org
In der Online-Karte wheelmap.org können User Orte entsprechend ihrer Rollstuhlgerechtigkeit farblich markieren und Kommentare und Fotos ergänzen. Im Landkreis Ansbach befüllen und nutzen u. a. die kommunalen Behindertenbeauftragten die Online-Karte. Als OpenStreetMap kann die Karte jedoch von jedem bereichert werden. So wächst die Karte weltweit und täglich um wichtige Informationen. Erläuterungen zu den Bewertungskriterien sowie weitere Informationen sind auf der Website und in der Wheelmap-App einsehbar.
Tag der Inklusion an der Hochschule Ansbach
Am 14.12.2020 findet der Tag der Inklusion an der Hochschule Ansbach statt, der sich schwerpunktmäßig mit der digitalen und baulichen Barrierefreiheit beschäftigt. In Kurzworkshops erhalten Teilnehmer praktische Tipps zur digitalen Barrierefreiheit und einen kurzen Einblick in das Thema der baulichen Barrierefreiheit. Weitere Informationen sind auf der Website der Hochschule Ansbach zu finden.