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Hoffnung hinter verschlossenen Türen: Die unermüdliche Arbeit des Frauenhaus Fürth

Ein Beitrag von Daniela Bertuzzi, Kathrin Brunner

Irgendwo im verwinkelten Fürth, entlang enger Häuserreihen und kleinen Gässchen, liegt es versteckt: Das Frauenhaus Fürth. Sein genauer Standort bleibt der Öffentlichkeit verborgen – aus Schutz für die Frauen, die hier Zuflucht finden. Denn was hier geschieht, ist weit mehr als bloße Unterbringung. Es ist ein Ort des Schutzes, der Unterstützung und der Hoffnung.

Jenny, eine Mitarbeiterin des Frauenhauses, holt uns nach einem kurzen Anruf ab. Um in die Räume des Frauenhauses zu gelangen, müssen wir zunächst durch eine doppelte Schleusentür. „Das ist nötig, um zu gewährleisten, dass kein Täter in die Schutzräume eindringen kann“, erklärt sie, während sie die äußere Tür verriegelt. Bald soll zusätzlich zur Geheimhaltung des Ortes und der Schleusentür noch eine Pforte im Eingangsbereich mit Personal besetzt werden – ein weiterer Schutzmechanismus für die Frauen und Kinder, die hier Unterschlupf suchen.

Über ein helles Treppenhaus gelangen wir in die modernen, lichtdurchfluteten Arbeitsräume des Frauenhauses. Hier herrscht eine ruhige, angenehme Atmosphäre. In diesen Räumen finden Workshops statt, hier besprechen sich die Mitarbeiter:innen, hier wird organisiert und unterstützt. Im Besprechungszimmer des Hauses nehmen wir Platz, um Jenny zur aktuellen Situation rund um das Thema Gewalt gegen Frauen zu befragen und eine erschütternde Antwort zu erhalten:

Gewalt gegen Frauen – Eine alarmierende Entwicklung

Die Zahlen sind erschreckend – die Gewalt gegen Frauen steigt. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt – ein Anstieg von 6,5 Prozent im Vergleich zu 2022. Rund 70 Prozent der Betroffenen waren Frauen. Auch die innerfamiliäre Gewalt nahm zu: 78.341 Fälle wurden verzeichnet, was einem Zuwachs von 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Diese alarmierenden Zahlen gehen aus dem Mitte 2024 erschienenen Lagebild hervor, das von den Bundesministerinnen Nancy Faeser und Lisa Paus vorgestellt wurde. Früher wurde in Deutschland alle drei Tage eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Heute geschieht dies beinahe täglich.

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch bekannt als Istanbul-Konvention, ist ein 2011 ausgearbeiteter völkerrechtlicher Vertrag. Er schafft verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt. Seit 2023 gilt er ohne Vorbehalte in Deutschland und fordert einen umfassenden Lagebericht – doch die Realität zeigt bereits, dass alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt zunehmen.

Die Gründe für die steigenden Zahlen sind vielschichtig. Einerseits wächst die Bereitschaft der Frauen, Übergriffe anzuzeigen – ein positives Zeichen für das Vertrauen in die Justiz. Andererseits führt die zunehmende Emanzipation der Frauen paradoxerweise auch dazu, dass patriarchale Gewalt als Machtdemonstration eskaliert, erklärt Jenny.

Überlastete Frauenhäuser: Ein Platz, der nicht reicht

Frauenhäuser sind bundesweit überlastet. Die Istanbul-Konvention sieht mindestens einen Familienplatz pro 10.000 Einwohner vor. Doch in Bayern fehlen nach aktuellen Berechnungen mehr als 13.000 solcher Plätze. Auch das Frauenhaus Fürth ist regelmäßig voll belegt. „Wir müssen immer wieder Frauen abweisen“, berichtet Jenny. 2022 konnten deutschlandweit 17.000 Frauen keinen Platz in einem Frauenhaus finden – oft bleiben dann nur Obdachlosenunterkünfte oder andere unsichere Alternativen. Besonders mittellose Frauen, die keinen finanziellen Rückhalt haben, sind betroffen.

Formen der Gewalt: Mehr als nur körperliche Übergriffe

Viele Menschen denken bei häuslicher Gewalt in erster Linie an körperliche Übergriffe. Doch Jenny macht deutlich, dass auch viele Frauen, die im Frauenhaus Zuflucht suchen, psychische Gewalt erlebt haben. „Kontrolle, Isolation, Manipulation – das sind die ersten Anzeichen. Frauen werden von ihrem sozialen Umfeld abgeschnitten, kleingehalten und bedroht.“

Besonders besorgniserregend: Der Anstieg von Cybergewalt. In den letzten Jahren ist digitale Gewalt ein immer größeres Problem geworden. Täter verfolgen ihre Opfer über gemeinsame Google-Konten oder GPS-Tracker, spähen private Nachrichten aus oder tauchen plötzlich vor der Haustür auf. Deshalb gibt es im Frauenhaus strenge Sicherheitsvorkehrungen: Frauen dürfen beispielsweise nur noch vor einer weißen Wand Facetime-Anrufe führen, um ihren Aufenthaltsort nicht preiszugeben.

Schutz und Sicherheit: Was das Frauenhaus Fürth leistet

Das Frauenhaus Fürth bietet nicht nur eine sichere Unterkunft, sondern auch eine umfassende Betreuung für die Frauen und ihre Kinder. Neben Schutzräumen gibt es Erzieherinnen, die sich mit um die Kinder kümmern, und Beratungsangebote, die die Frauen in ihrer Selbstbestimmung stärken. „Je länger die Frauen bleiben, desto besser“, sagt Jenny. Ziel ist es, sie nicht in die Obdachlosigkeit zu entlassen. Dafür gibt es eine zweite Stufe: Übergangswohnungen mit loser Betreuung, um den Frauen den Schritt in ein selbstbestimmtes Leben zu erleichtern.

Die Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz ist eng. Streifen fahren regelmäßig am Frauenhaus vorbei, Annäherungsverbote werden erlassen – doch in der Praxis sind diese oft wenig hilfreich. Jenny und ihr Team fordern daher eine Reform nach spanischem Vorbild: Dort gibt es seit 2009 elektronische Fußfesseln für Täter, die sich einer Frau nicht nähern dürfen.

Der Kampf gegen Gewalt beginnt früh

„Wir müssen früher ansetzen“, sagt Jenny. „Früherziehung zu Konsent und Selbstbestimmung ist essentiell.“ Das Frauenhaus engagiert sich deshalb aktiv in der Aufklärungsarbeit: An Aktionstagen wie dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen geht das Team auf die Straße, sensibilisiert die Öffentlichkeit und kämpft gegen die Stigmatisierung von Frauenhäusern. „Viele denken immer noch, wir sind ein dunkler Ort für völlig verzweifelte Frauen. Dabei sind wir ein Safe Space, ein Ort des Empowerments.“

Was jeder Einzelne tun kann

Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, das nur gemeinsam gelöst werden kann. Ein wichtiger Schritt ist es, Männer stärker einzubinden und für die Thematik zu sensibilisieren. „Viele Männer glauben, dass Gewalt gegen Frauen nichts mit ihnen zu tun hat. Doch sie sind oft diejenigen, die etwas ändern können – sei es durch ein offenes Gespräch mit Freunden oder durch das Erkennen von Warnsignalen.“ Jenny nennt typische Red Flags: antifeministische Einstellungen, kontrollierendes Verhalten oder die gezielte Isolation der Partnerin vom sozialen Umfeld.

Das Frauenhaus sucht zudem engagierte Ehrenamtliche für den Telefondienst oder die Alltagsbegleitung der Frauen. Jede Unterstützung zählt, um Frauen in schwierigen Situationen ein sicheres Umfeld zu bieten.

Ein sicherer Ort – aber noch lange kein sicheres Leben

Als wir das Frauenhaus verlassen, bleibt ein Gefühl der Beklemmung, aber auch der Bewunderung für die unermüdliche Arbeit, die hier täglich geleistet wird. Hinter diesen verschlossenen Türen verbirgt sich nicht nur Schutz, sondern auch der Mut, sich aus Gewaltverhältnissen zu befreien, und die Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben. Doch solange Frauen in Deutschland noch um ihre Sicherheit fürchten müssen, ist der Kampf gegen Gewalt nicht vorbei. Und bis dahin bleibt das Frauenhaus Fürth ein unverzichtbarer Zufluchtsort – verborgen, aber lebensrettend. 

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